Im Verein Tamtam sind afrikanisch-österreichische Kinder nicht "anders", sondern "normal": Einmal pro Monat treffen sie sich zum Spielen.

Grafik: Tamtam
"Warum bin ich anders?" Antworten auf diese Frage müssen Eltern bikultureller Kinder immer wieder finden. "Und immer wieder neu, je nach Alter", sagt die Sozialarbeiterin und Kulturanthropologin Gertraud Pantucek. Denn vor allem bei Kindern afrikanischer Abstammung wird die Frage nach der Identität und Zugehörigkeit schon früh von außen an sie herangetragen: Immer und immer wieder wird nach der Herkunft gefragt (siehe Interview ).

Die Fragen der Kinder beginnen meist ab dem Kindergarten, erzählt Renate Fasan-Essbichl, "mit den Reaktionen der anderen Kinder, der Eltern". Darauf, dass die Kinder von afrikanisch-österreichischen Eltern "anders" aussehen. Sie hat zwei Kinder mit einem aus Nigeria stammenden Österreicher und leitet Tamtam, einen Verein für afrikanisch-österreichische Eltern und Kinder. Jeden ersten Samstag im Monat treffen sich "starke Kids" zum Spielen und ihre Eltern zum Erfahrungsaustausch.

Auto oder nicht Auto

Oft geht es auch darum, Strategien gegen Rassismus zu entwickeln. Sie selbst, erzählt Renate Fasan-Essbichl, hat bisher nur wenige schlechte Erfahrungen gemacht: "Aber von anderen Müttern höre ich manchmal Sachen, dass sich mir die Haare aufstellen." Übergriffe in öffentlichen Verkehrsmitteln, Vorfälle in Kindergärten und Schulen – die Palette sei breit. "Es kommt stark darauf an, ob man ein Auto hat – die öffentlichen Verkehrsmittel sind ein wenig angenehmes Pflaster." Auch der Wohnort mache einen Unterschied, ebenso wie der gewählte Kindergarten oder die Schule.

Doch ganz geschützte Räume gibt es nicht, sagt Fasan-Essbichl. Weder für die dunkelhäutigeren PartnerInnen noch für die Kinder. Der österreichischen Mutter würden die Kinder rassistische Beschimpfungen oder Angriffe aber oft nicht erzählen: "Es ist etwas anderes, das dem weißen Elternteil zu sagen als einem, der dasselbe erlebt." Hier mache es einfach einen großen Unterschied, ob das Kind Kontakt mit dem afrikanischen Elternteil oder anderen Bezugspersonen mit dunklerer Hautfarbe hat. Daher - und um einen geschützten Raum zu bieten - sei damals, im Jahr 2000 auch Tamtam gegründet worden: Hier können sich die Kinder "normal" fühlen.

"Ich bin Afrikaner"

Die Identifikation mit dem ausländischen Elternteil sei gerade für die Mütter aber auch nicht immer leicht, vor allem wenn die Beziehung selbst nicht aufrecht ist, erzählt Pantucek: "Eine Mutter erzählte mir, dass ihr nur dreijähriger Sohn sagt 'Ich bin Afrikaner' – obwohl er in Österreich lebt und seine Mutter Österreicherin ist. Das ist für sie schon auch schwierig." Doch die Zugehörigkeit ändere sich auch immer wieder. Wichtig sei es, das "Andere" nicht auszugrenzen.

Dass die Kinder binationaler Ehen zwischen den Stühlen sitzen, wäre laut Pantucek zu hinterfragen: "Für Kinder sind eher punktuelle Situationen wichtig: Wo geht es ihnen gut, wo werden sie abgelehnt und wo angenommen." Wenn jemand zerrissen ist, dann eher die österreichischen Mütter – denn die stehen zwischen der Gesellschaft und ihren Kindern.

Das sieht auch Renate Fasan-Essbichl so: "Gerade für viele weiße Mütter ist es schwierig zu akzeptieren, dass sie ihre Kinder nicht immer beschützen können." Und wie die Kinder selbst auf rassistische Diskriminierung reagieren, komme auch stark auf die Persönlichkeit an – manche protestieren, andere wollen bloß nicht noch mehr auffallen, erzählt sie.

"N"-Wort

In den Schulen gebe es noch immer viel zu tun: "Bei Buchstabentagen in einer Wiener Volksschule wurden vor wenigen Jahren der Buchstabe N mit dem N-Wort erklärt." Und die "Zehn kleinen Negerlein" seien auch noch immer in Gebrauch. "Aber wenn man was kritisiert, wird man als überempfindlich hingestellt – das ist das Schlimmste", erzählt Fasan-Essbichl.

Was sie sich zu Weihnachten vom Staat wünschen würde? "Es wäre toll, wenn alle KindergärtnerInnen und LehrerInnen an Anti-Rassismus-Workshops teilnehmen müssten – entweder in der Ausbildung oder verpflichtend danach." Das würde viel ändern, glaubt sie.

Ein bisschen bunter

Ansonsten setzt Fasan-Essbichl auf Integration in allen Bereichen. In Zukunft, so hofft sie, müsse die Menschheit ja wohl eh ein bisschen bunter werden. Und in so einer Gesellschaft hätten dann ihre Kinder schon mal den Vorteil, sich in verschiedenen gesellschaftlichen Räumen und Kulturen bewegen zu können.

Sie jedenfalls ist stolz auf ihre Kinder: "Die sind mir gut gelungen." Zwischen zwei Stühlen würden sie nicht sitzen: Eher auf einer breiten Bank, zitiert sie die afrikanisch-europäische Aktivistin und Wissenschafterin Araba Evelyn Johnston-Arthur: "Da können sie mal hierhin rutschen, mal dorthin – oder sich gemütlich darauf ausstrecken." (Heidi Weinhäupl, derStandard.at, 26.12.2006)