Die diesjährigen Feierlichkeiten zur Verleihung des Friedensnobelpreises an Mohammed Yunus, den Gründer der „Grameenbank“, waren im Hintergrund von einem Konflikt überschattet. Die mehrheitlich staatliche norwegische Telekomgesellschaft Telenor würde Bangladesch aussaugen, so der Vorwurf der Grameenbank, die ebenfalls mit dem Nobelpreis geehrt wurde.

„Grameenphone“

Im Streit geht es um ein 1996 gestartetes Gemeinschaftsunternehmen von Telenor und Grameenbank namens „Grameenphone“. Dieses hat ein Mobiltelefonnetz in ganz Bangladesch aufgebaut, in einem Land, in dem das Festnetz oft versagt. Außerdem vergibt Grameenphone verarmten Frauen in Bangladesch Kleinstkredite, mit denen sie ein Mobiltelefon kaufen können, um es dann im Dorf zu vermieten.

Diese Frauen sind in einer Organisation zusammengeschlossen, die sich „Village Phone Ladies“ nennt. Vom Gesprächspreis geht ein Teil an diese Frauen, die damit sich selbst unterhalten können und gleichzeitig genug Geld haben, um langsam ihren Kredit zurückzuzahlen.

Riskant

Anfangs galt Grameenphone als hochriskante Investition. Dennoch waren die Norweger bereit mitzumachen. Heute ist es die größte Telefongesellschaft Bangladeschs und ein äußerst profitables Unternehmen mit zehn Millionen Mobiltelefonkunden, 100.000 Angestellten und einem Marktwert von rund drei Milliarden Dollar (rund 2,3 Mrd. Euro). Haupteigentümer ist die norwegische Telenor mit 62 Prozent, 35 Prozent hält die Grameenbank.

Der frisch gebackene Friedensnobelpreisträger kritisiert Norwegens Telenor dafür, dass sie entgegen früherer Absprachen ihre Anteile des unerwartet profitablen Unternehmens nicht mehr an die armen Menschen in Bangladesch abtreten möchte. „Telenor hatte mir das versprochen“, sagte Yunus im Gespräch mit dem Standard. Telenor wies zunächst zurück, dass es eine solche Absprache gebe. Laut einem Dokument, das der norwegischen Zeitung Dagbladet vorliegt, gab es jedoch tatsächlich eine Absprache. Darin heißt es, dass Telenor „die Absicht“ habe, seinen Anteil zumindest auf unter 35 Prozent zu senken.

"So etwas hält man ein"

Das sei aber nicht rechtlich bindend, hieß es daraufhin vom Konzern: „Eine Absicht ist ja eher eine mögliche Handlung, und keine Verpflichtung zu einer möglichen Handlung“, versuchte sich Konzernchef Jon Fredrik Baksaas gegenüber Dagbladet herauszureden. 2004 hätten seine stets die Renditen im Auge behaltenden Aktionäre entschieden, dass Telenor Haupteigentümer bleibe und seine Anteile nicht abtreten werde.

Für den „Banker der Armen“ ist das nicht nachvollziehbar: „Als wir das Gemeinschaftsunternehmen mit den Norwegern gründeten, handelte es sich zwar nicht um eine juristisch wasserfeste Absprache, aber dennoch um ein ‚Gentleman Agreement’ und so etwas hält man ein“, sagte Yunus. Er sei sehr dankbar für die damalige Bereitschaft von Telenor, sich zu engagieren. Dennoch müssten die Norweger nun ihre Anteile endlich an die Armen in Bangladesch abtreten. Yunus: „Grundsatz aller Bereiche der Grameenbank ist es, dass die Armen selbst die Produktionsmittel besitzen und kein Großunternehmen daraus Profit schlägt, so wie es die Telenor jetzt tut.“

Bereits vor der Nobelpreisverleihung hatte Yunus sich mit Telenor getroffen, um das Problem zu diskutieren. Beide Seiten einigten sich aber nach diesem ersten Gespräch darauf, den Konflikt erst nach der Nobelpreisverleihung auszutragen. Eine konkrete Lösung steht zwar immer noch aus, doch: „Wir werden unsere Meinungsdifferenzen austragen und sicher zu einer guten Lösung kommen“, zeigt sich Yunus optimistisch.( André Anwar aus Oslo, DER STANDARD Printausgabe, 19. Dezmber 2006)