"Schmeck's" ist keine professionelle Lokalkritik. Harald Fidler und Freunde schildern hier ihre Erlebnisse beim Essen und Trinken. Als Dilettanten im Wortsinn: Laien, Amateure, Nichtfachleute, die eine Sache um ihrer selbst willen ausüben - also zum reinen Vergnügen. Was nicht immer gelingt.

Foto: Harald Fidler
Die kürzeste Verbindung zwischen Niere und Milz, zwischen Beuschl und Leber, zwischen Bries und Bruckfleisch? In Wien die U3. Am oberen Ende der orangefarbenen Linie, beim Wilhelminenspital, bearbeitet Harald Niggl elegant, was im lieben Vieh so steckt, bekannt vielleicht auch als "Hauskoch" von ATV. Und fast andernends, an der Zippererstraße, praktisch mit eigenem U-Bahn-Ausgang zum Lokal, kehrt man im Barbanek das Innerste des Tiers ganz formidabel nach außen.

Wo Niggl junior erfolgreich zu modernisieren und verfeinern versucht, geht man in Simmering sehr traditionsbewusst zu Werke. Bruckfleisch hatte ich schon bei Niggls, eine feine Mischkulanz aus Innereien bis hin zum Herzkranzgefäß (laut manchen Rezepten sind das die "Lichteln"). Das Ganze in homöopathisch verträglicher Dosis - herrlich!

Fidler geht an die Nieren

Seit Monaten schon stand der Vergleichstest an bei Barbanek. Denn bei bisherigen Besuchen in der Fuchsröhren(!)straße konnte ich das Beuschel nicht links liegen lassen, und schon gar nicht die Nieren. Sowas lässt in Simmering keinen Platz mehr für Bruck.

Strategischer Fehler auch diesmal: Eine kleine Portion Niere, bitte, vor dem Hauptgang, geht das? Den Wirtsleuten bereitet das kein Problem, aber dem Fassungsvermögen des Gastes.

Herr Hilberg, wiewohl erstmals an diesem schönen Ort, spürt offenbar, was da noch auf ihn zukommt und ordert in ungewohnter Bescheidenheit vorweg alleine eine Fischbeuschelsuppe.

Halboffene Hose statt halbgarer Schokokuchen

Doch auch Konstantin ist vor strategischen Fehlern nicht gefeit: Wer zu Barbanek geht, sollte bei noch so frischen Temperaturen nicht die Lederhose wählen, die vor ein paar Jährchen noch so gut passte. Hilberg schnauft schon nach dem Beuschel aus dem seinigen. Noch vor dem Hauptgang muss der oberste Hosenknopf weichen. Beruhigend, dass er jetzt gut Gesottenes bekommt und nicht halbgaren Schokokuchen: Mit halboffener Hose wollen wir den Mann nicht röhren hören wie weiland laut seinem Bericht in Vikerls Lokal.

Wobei Röhren, da sind wir quasi mitten im Thema: Große Suppenteller voller Bruckfleisch stehen vor Hilberg und mir, mit Semmelknödeln von der Größe eines Kinderkopfes. "Man soll sich schon anessen können", sagt die Frau Chefin, deren Sohnemann schon den ganzen Tag an dem Bruckstück herumköchelte.

Fuchs kann der Röhre diesmal nicht gute Nacht sagen

Worum geht es hier eigentlich: Um Leber, Milz, Bries und Kronfleisch, erklärt die die Chefin, das sei das Fleisch um die Luftröhre, das früher häufig beim Gulasch zum Einsatz kam. Und die "Lichteln", grob geschnittene Teile der Luftröhre, die allerdings diesmal fehlen, weil der Fleischversorger der Barbaneks keine zur Hand hatte. Uns bleibt also der selbst nicht genießbare, aber laut Wirtin für den Gesamtgeschmack wesentliche Luftröhrenschnitt erspart. Fuchs und Röhre sagen einander heute trotz dieser Adresse keine Nacht.

Auch ohne Röhrln geht uns geschmacklich durchaus ein Lichtel auf. Das übrige Zeug will unterschiedlich lange mit ausgiebig angeröstetem Wurzelwerk gesotten werden, mit Rotem aus dem "guten Doppler" aufgegossen, mit Neugewürz (alias Piment gerieben), Salz, Pfeffer "und ein paar Geheimnissen" versehen. Ergebnis: würztechnische Nähe zum Wild(gulasch), optisch sowieso (ohne Lichteln, klar) - und interessante Überraschungen in Konsistenzfragen.

Knackige Leber wechselt sich, soweit erkennbar, ab mit zartem Bries, Milz und sehr elastischen Stückchen anderen Fetts, dann wieder Fleisch, alles unter der dicken, prachtvoll würzigen Sauce. Die Teile grob würfelig geschnitten, nicht so klein wie Beuschel (das mir bei Barbanek übrigens etwas zu rahmig ausfällt).

Muschel und Fisch für die anderen

Hilbergs Forscherdrang gebietet, immer wieder ein Stückchen zur anatomischen Blickprüfung freizulegen vom dicken Saft. Ich gebe eher den Haudrauf (oder besser -rein) und lasse mich überraschen, wie sich das nächste Stück auf der Zunge anfühlt.

Aufzuessen haben wir beide nicht geschafft. Ich gebe zu, Herr Hilberg war tapferer. Vielleicht wegen des leichteren Fischbeuschel-Einstiegs, gewiss aber dank des offenen Hosenknopfes.

Die Frau Wirtin gibt uns noch mit auf den Weg, dass ihr Sohn auch sehr feine Muscheln Busara kocht und sich sehr gerne mit Fisch austobt. Nur für den Fall, dass sich jemand nicht so vergnügt im Innenleben von Kuh oder anderen Landtieren umtut. Soll ja auch vorkommen, haben Hilberg und ich schon gehört.