Grafik: MEDSTANDARD
Die Erkrankung in ihrer chronischen Form ist heimtückisch und entwickelt sich über Jahrzehnte schleichend und schmerzlos. Erst wenn Gesichtsfeldausfälle, so genannte Skotome, vom Gehirn nicht mehr kompensiert werden können, wird das Glaukom (grüner Star) von den Patienten bewusst wahrgenommen.

Tunnelblick

Bevor es so weit kommt, ist im Vorfeld bereits viel geschehen. Es sind "blinde Flecken" in der Peripherie der Netzhaut entstanden, haben sich zur Mitte hin ausgebreitet und einen für die Erkrankung charakteristischen Tunnelblick erzeugt. Unbehandelt erblindet man. In Österreich leiden über 80.000 Menschen an dieser Augenerkrankung, davon haben rund 3500 Patienten das Augenlicht verloren.

Gestörte Blutflussregulation

Dass zwischen der Entstehung des Glaukoms und der Durchblutung des Auges eine Wechselwirkung besteht, ist sicher. Leopold Schmetterer von der Medizinischen Universität Wien beschäftigt sich seit Jahren mit dieser komplexen Materie. "Glaukompatienten haben speziell im Auge eine gestörte Autoregulation.

Sie reagieren auf erhöhten Augeninnendruck eher mit einer Minderdurchblutung als Menschen mit gesunden Augen", erklärt er und vermutet, dass diese gestörte Blutflussregulation mit einer Fehlfunktion der Endothelzellen, der innersten Zellschicht der Blutgefäße, in Zusammenhang steht.

Rechtzeitig erkennen

Wie man ein Glaukom frühzeitig erkennt? Durch regelmäßige augenärztliche Kontrollen, bei denen auch die Messung des Augeninnendrucks ein Bestandteil ist. Einig sind sich die Glaukomexperten aber darüber, dass die alleinige Messung des Augeninnendrucks als Früherkennungsmaßnahme für Glaukome nicht ausreicht. Selbst wenn der Augendruck normal ist, ist das nicht aussagekräftig.

Diagnose in 3D

Die Diagnose erfolgt über die Beobachtung des Augenhintergrundes und der Beurteilung des Sehnervenkopfes. An der Papille (Sehnervenkopf) verlassen die Nervenfasern gebündelt zum Sehnerv das Augeninnere. Mithilfe des Heidelberg Retina Tomographen 3 lassen sich seit zirka zehn Jahren dreidimensionale Bilder der Papille erstellen und glaukomatöse Schädigungen beurteilen. In ganz Österreich sind derzeit aber nur wenige dieser Geräte im Einsatz. Der optische Kohärenztomograph könnte als bildgebendes Verfahren zur zweidimensionalen Darstellung des Augenhintergrundes, laut Schmetterer, in Zukunft einen wichtigen Platz einnehmen.

Drucksache

Ob der derzeit aktuelle Terminus Normaldruckglaukom also tatsächlich gerechtfertigt ist, bezweifelt Schmetterer, denn "man weiß ja nicht, ob der Patient nicht doch manchmal einen höheren Druck im Auge hat, ohne dass er gemessen wurde". Er bevorzugt daher die Bezeichnung Offenwinkelglaukom und spekuliert, dass die Durchblutung aber besonders bei Patienten mit normalem Augeninnendruck eine wichtige Rolle spielt. Die Tatsache, dass es auch chronische Glaukome gibt, die zumindest zeitweilig einen völlig normalen Augendruck aufweisen, hat die Sache nicht wirklich vereinfacht.

Andere Faktoren

Denn mittlerweile stellen sich Forscher die Frage, ob das Glaukom nur eine Augenkrankheit und nicht vielmehr das Symptom einer allgemeinen Gefäßerkrankung ist. Indizien dafür gibt es. Normaldruckglaukompatienten haben oft kalte Füße und Hände, was auf eine generelle Durchblutungsstörung hinweisen kann. Bluthochdruck und Diabetes verursachen eine Verkalkung der Arterien. "Das sind kardiovaskuläre Faktoren, die die Entstehung von Glaukomen begünstigen", ergänzt Schmetterer.

Hoher und niedriger Blutdruck

Es klingt paradox, aber neben dem hohen Blutdruck gilt auch ein niedriger Blutdruck als Risikofaktor. Er reduziert die Durchblutung im Auge ebenso wie verkalkte Arterien. Schmetterer ist überzeugt, dass die alleinige Senkung des intraokularen Drucks den Fortschritt der Erkrankung "bestenfalls verlangsamt, aber nicht aufhält".

Der Glaukomforscher hält mehrere therapeutische Ansätze für zukunftsträchtig: "Substanzen, die spezifisch die Durchblutung des Auges steigern, Stoffe die den Umbauprozess des Sehnervenkopfes beeinflussen und Medikamente, die das Absterben von Netzhautzellen verhindern".

Nerven schonen

Letztere wirken als neuroprotektive Arzneimittel der schrittweisen Erblindung entgegen. Ärzte sollten deshalb Glaukom-Patienten anhalten, regelmäßig den Blutdruck zu messen, rät Professor Carl Erb von der Rostocker Augen-Universitätsklinik. "Zu niedrige Blutdruckwerte, die vor allem nachts eintreten, können Glaukome fördern, auch wenn der Augeninnendruck vernünftig eingestellt ist", sagt Erb.

Auge im Querschnitt: Beim akuten Glaukom erweitert sich die Linse, blockiert im Kammerwinkel, und der Flüssigkeitsaustausch zwischen vorderer und hinterer Augenkammer ist gestoppt. (Regina Philipp/MEDSTANDARD/18.12.2006)