Oliver Sedlinger fragt,
welche Musik heute auf
Mozarts iPod laufen würde.
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Heutzutage vergisst man vor lauter Mozartseligkeit nur allzu gerne, dass Mozarts Musik zum Zeitpunkt ihres Entstehens nicht "klassisch", sondern zeitgenössisch war. Das erklärt auch die vielen ablehnenden Reaktionen auf Kompositionen des Maestros, die heute als unantastbare musikalische Referenzgrößen gelten. Als Mozart beispielsweise am 15. Oktober 1790 um elf Uhr Vormittag das so genannte "Krönungskonzert" im Rahmen einer dreistündigen Matinee in Frankfurt am Main spielte, interessierte sich das adelige Publikum mehr für ein "großes Dejeuner bei einem Fürsten und das große Manoever von den Hessischen Truppen" als für die neuen Werke des aus Wien angereisten Komponisten. Offenbar handelte es sich bei den Besuchern dieses Konzerts um "leute mit langen ohren", wie Mozart einmal jene Ignoranten bezeichnete, die keinen Sinn für das Neue hatten. Als aufgeschlossener Künstler würde sich Mozart heute konsequenterweise in erster Linie für zeitgenössische musikalische Strömungen wie etwa HipHop interessieren. Wie nahe Mozart dem Geist des HipHop stand, beweisen ja die Wortkaskaden in seinen Briefen.
Musik braucht "Arsch"
Außerdem ist anzunehmen, dass Mozart auch für Adaptionen seiner eigenen Kompositionen ein offenes Ohr gehabt hätte. Die von Martha Eggerth und Jan Kiepura 1948 gesungene (!) Version des Türkischen Marsches z. B. würde bei ihm sicherlich auf ebenso große Zustimmung stoßen wie die Gesangseinlagen des aus dem Maghreb stammenden Sängers Kadero Ray bei der "orientalischen" Einspielung der Ouvertüre zur Entführung aus dem Serail. Auch zu den unzähligen, ziemlich "schrägen" Interpretationen seiner Kleinen Nachtmusik würde DJ Master Wulfgäng sicherlich das eine oder andere Tänzchen wagen. Und als experimentierfreudiger Musiker wäre Mozart wahrscheinlich der Letzte, der an Florence Foster Jenkins' legendärer Aufnahme der Arie der Königin der Nacht aus dem Jahr 1941 etwas auszusetzen hätte. Aber vielleicht ist das ja genau jener "Arsch", den Mozart von der Musik einforderte, "denn einen kopf hat sie izt - das ist eben das unglück." (DER STANDARD, Printausgabe, 16./17.12.2006)