Bern/Wien - Zumindest teilweise grünes Licht bekommt der umstrittene Ilisu-Staudamm am Oberlauf des Tigris im Südosten der Türkei. Die Regierung in Bern gewährt den beteiligten Schweizer Unternehmen nun doch eine Exportrisiko-Garantie. Die Unternehmen können ihre Aufträge im Volumen von insgesamt 225 Millionen Franken (140 Millionen Euro) versichern lassen.

Signalwirkung

Ein Entscheid mit Signalwirkung: Auch in Österreich und Deutschland warten Lieferanten auf den entsprechenden Entscheid ihrer Regierungen für das insgesamt 1,2 Milliarden schwere Wasserkraftwerksprojekt, bei dem die mittlerweile zum Grazer Maschinenbauer Andritz gehörende VA Tech Hydro als Konsortialführer fungiert.

Die christdemokratische Volkswirtschaftsministerin Doris Leuthard begründete das grundsätzliche Ja der Schweizer Regierung mit ihrer Verantwortung, Arbeitsplätze im Lande zu schaffen und zu erhalten. Außerdem verpflichte sich die Schweiz, "dass ökologische Standards eingehalten werden, dass der Kulturgüterschutz und die Interessen der betroffenen Anwohner und Anrainerstaaten respektiert werden".

Vor einer endgültigen Zusage für das Projekt, über das seit fast zehn Jahren gestritten wird, müssen Bauherr und Lieferanten (Konsortialführer ist Andritz VA Tech Hydro) noch eine Reihe von Bedingungen und Auflagen erfüllen. Deren Einhaltung überwacht ein unabhängiges Expertenkomitee, weil in der Region gut 11.000 Menschen umgesiedelt werden müssen und darüber hinaus einzigartige archäologische Schätze bedroht sind.

OeKB hat Garantie noch nicht erteilt

Das ist auch der Grund, warum die Oesterreichische Kontrollbank (OeKB) in Wien ihre Exportgarantie für Andritz VA Tech Hydro noch nicht erteilt hat, obwohl sich das Finanzministerium bereits grundsätzlich für die Realisierung des Projekts ausgesprochen hat. Der Lieferumfang der VA Tech wird mit 230 Millionen Euro beziffert. Die OeKB wartet noch immer auf Unterlagen aus der Türkei, in denen die teils umfangreiche Kritik an den ökologischen und sozialen Problemen entkräftet wird und Pläne für die Umsiedlungen und den Umgang mit Kulturgütern skizziert werden. "Ein final Comittment gibt es sicher noch nicht", sagt OeKB-Sprecher Peter Gumpinger.

Bei Alstom Schweiz, die Generatoren und Trafos im Wert von gut 110 Mio. Euro liefern wird, freut man sich dennoch schon: "Für uns bedeutet dieser Auftrag Arbeit für 290 Angestellte während eines ganzen Jahres", sagt Alstom-Sprecherin Simone Ramser.

Enttäuschung dafür bei den Entwicklungshilfe- und Umweltorganisationen. Für Christine Eberlein von der "Erklärung von Bern" sind die Auflagen nicht ausreichend. "Die Türkei will sich durchmogeln. Wenn einmal ein grundsätzliches Ja gefallen ist, dann kann man kaum noch durchsetzen, dass die geforderten Auflagen tatsächlich erfüllt werden." (Klaus Bonanomi, Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16./17.12.2006)