Hermann Gmeiner (ganz rechts) und einige Kinderdorf-Pionierinnen im Kinderdorf Imst. Maria Hofer (Vierte von links) ist 1997 im Alter von 84 Jahren gestorben.
Foto: Der Standard/Karl Hofer
Innsbruck - Die Geschichte der 1949 gegründeten SOS-Kinderdörfer ist eng mit der Person Hermann Gmeiners verbunden. In den letzten Jahren änderten sich die Aufgabenstellung und der Zugang zu seiner Geschichte. Nun haben die beiden Pädagoginnen Bettina Hofer und Christina Lienhart die Rolle von Frauen in der Gründungszeit untersucht. "Da gibt es eine andere Geschichte, von Anfang an", sagt Lienhart.

"Die Konstruktion des Hermann-Gmeiner-Gründungsmythos begann ab Mitte der 1950er-Jahre", schreiben die Autorinnen in ihrem Buch. Mit 15 Biografien widerlegen sie, dass Frauen im Kinderdorf auf die Mütter-Rolle allein reduziert gewesen wären.

Insgesamt hatten in den ersten Jahren elf Frauen eine leitende Funktion. Herausragend war die Bedeutung von Maria Hofer, die im Gründungsteam der Kinderdörfer als ausgebildete Fürsorgerin die einzige Fachkraft darstellte. Maria Hofer ließ sich ihr Erbe auszahlen und ermöglichte damit das erste Kinderdorf in Imst. Knapp zehn Jahre blieb sie in leitenden Funktionen, ehe sie dem Kinderdorf den Rücken kehrte und Tirol verließ.

Bei dieser von Hofer selbst nie kommentierten Entscheidung hatte vermutlich Gmeiners alleiniger Führungsanspruch eine entscheidende Rolle gespielt. Eine Zeitzeugin: "Sie wollte auf keinem Gedenkstein stehen, aber sie wollte klar sagen: Der Gmeiner hat das nicht alleine erfunden."

Eine bekannte gesellschaftliche Tendenz wirkte übrigens auch im Kinderdorf: "Sobald die Organisation entwickelt war und an Geltung und Honorierung anziehender wurden, sind die Leitungsstellen meist mit Männern (nach)besetzt worden", schreiben Hofer und Lienhart. (hs/DER STANDARD, Printausgabe 13.12.2006)