730 Beratungen wurden heuer bis Ende November von Fibel - der Fraueninitiative für Bikulturelle Ehen und Lebensgemeinschaften durchgeführt.

Foto: Heidi Weinhäupl

Doch bei den wenigsten ging es um bikulturelle Ehe-Probleme - Petruska Krcmar und Gertrud Schmutzer (links) beraten derzeit fast ausschließlich zur Fremdenrechts-Novelle.

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"Früher konnten man noch fragen 'Und, wie geht's Euch miteinander, in Eurer Beziehung?' Jetzt können wir das vergessen", erzählt Schmutzer. Bei der derzeitigen Rechtslage die Beziehung selbst zu besprechen sei fast lächerlich - schließlich drohe in etlichen Fällen die Abschiebung.

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Zudem stehen binationale Beziehungen unter dem Generalverdacht der Scheinehe. "Ein Finanzbeamter unterstellte einem ukrainisch-österreichischen Paar tatsächlich, ein 'Scheinkind' zu haben", erzählt Krcmar.

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Über 730 Beratungen für bikulturelle Paare waren es heuer allein bis Ende November: "Das ist eine extreme Steigerung - voriges Jahr waren es insgesamt 560", erzählt Petruska Krcmar, Beraterin bei Fibel, der Fraueninitiative Bikulturelle Ehen und Lebensgemeinschaften. Doch das Problem sei weniger die Menge als das Generalthema: Das Fremdenpaket der Regierung. "Früher konnten man noch fragen 'Und, wie geht's Euch miteinander, in Eurer Beziehung?' Jetzt können wir das vergessen", ist Gertrud Schmutzer, die zweite Teilzeitkraft bei Fibel frustriert. Bei der derzeitigen Rechtslage die Beziehung selbst zu besprechen sei fast lächerlich - schließlich drohe in etlichen Fällen die Abschiebung.

Entstanden ist die Fraueninitiative aus einer SPÖ-Diskussionsgruppe und der Empörung über das Buch "Nicht ohne meine Tochter" sowie dem Protest gegen das restriktive Fremdengesetz Anfang der 90er-Jahre. Die rechtliche Lage besserte sich mit der Reform 1997 - um sich nun wieder drastisch zu verschlechtern; vor allem für AsylwerberInnen und durch die Verbindung von Standesämtern und Fremdenpolizei. (derStandard.at berichtete)

Scheinehen und "Scheinkinder"

"Binationale Beziehungen stehen unter dem Generalverdacht der Scheinehe - der Staat legt hier völlig andere Maßstäbe an", sagt Schmutzer. Teilweise höchst skurile Maßstäbe: Bei einem Paar wurde die Ehe schon von der Fremdenpolizei überprüft, bevor sie am Standesamt geschlossen wurde. Ein anderes Paar wurde von der Fremdenpolizei kontrolliert, obwohl sie sechs Jahre verheiratet sind und ein Kind haben. "Und ein Finanzbeamter unterstellte einem ukrainisch-österreichischen Paar tatsächlich, ein 'Scheinkind' zu haben", erzählt Krcmar.

Gerade die ÖsterreicherInnen seien meist erschrocken und verunsichert über die Haltung ihres Staates: "Wer hier aufgewachsen ist, hatte meist keine negativen Kontakte mit dem Staat - und dann das", sagt Schmutzer. Die Ehe selbst würden deshalb aber nur die wenigsten in Frage stellen, so Schmutzer: "Vor allem österreichische Frauen hauen eigentlich nie aus diesem Grund den Hut drauf." Die Probleme entstehen dann meist nach der Hochzeit – auch weil die Verliebten durch die rechtlichen Hürden dazu gezwungen werden, rascher zu heiraten als andere und sich damit weniger gut kennen.

Familie, Geschlechterrollen und Werte

Vor allem drei Grundkonflikte würden sich in den Beratungen immer wieder zeigen: Unterschiedliche Auffassungen zu Familie, Geschlechterrollen und Werten. "Beispielsweise wird in Ghana häufig die Herkunftsfamilie als die eigentliche 'Familie' gesehen – und nicht so sehr die Kernfamlie hier in Österreich", erklärt Schmutzer. In einer PartnerInnenberatung müsse es dann darum gehen, diese Auffassungsunterschiede aufzuarbeiten und Kompromisse zu finden: "Gemeinsam zu einer Art von ‚We are a team’ zu kommen."

Wobei die Frage nach der Familienzugehörigkeit häufig auch mit ökonomischen Fragen gekoppelt ist, erklärt Schmutzer: "Gerade wenn einer der Partner aus einem armen Land kommt, ist es ja auch verständlich, dass beispielsweise Schulgeld für Neffen und Nichten überwiesen wird." Doch dies müsse eben zwischen den Ehepartnern gemeinsam beschlossen werden, so dass auch das hiesige Familieneinkommen gesichert ist.

Probleme bei den Geschlechterrollen entstehen vor allem dann, wenn die Frau aus Österreich stammt. Dies sei jedoch keineswegs rein "kulturell" bedingt, sondern werde durch die Strukturen in Österreich begünstigt: Häufig ist es, zumindest am Anfang, für AusländerInnen schwierig, einen Job zu finden. Wenn dann die Frau für das Einkommen zuständig ist, macht die österreichische Gesellschaft zusätzlichen Druck: Denn auch hierzulande herrscht die patriachale Vorstellung vor, dass Männer die Familie zu ernähren haben. "Wenn eine Frau einen nicht privilegierten Ausländer heiratet, dann ist der soziale Druck besonders stark", erzählt Schmutzer.

Österreicherinnen lassen sich häufig scheiden

Hier sprechen die Scheidungsraten eine deutliche Sprache: Von den in den Jahren 1988 bis 1996 geschlossenen binationalen Ehen zwischen Österreicherinnen und Männern aus Nicht-EU-Staaten wurden knapp 9 Prozent bereits im zweiten Jahr geschieden; fast 12 Prozent im dritten Jahr und knapp 8 Prozent im vierten Jahr; danach sinken die Scheidungsraten allerdings drastisch. Bei österreichischen Männern mit Frauen aus Drittstaaten liegen diese Zahlen weit darunter (siehe Statistik).

Vor allem Österreicherinnen

Zum Großteil sind es auch österreichische Frauen, die sich bei Fibel Unterstützung holen: "Doch der Anteil der Migrantinnen stieg im vorigen Jahr auf immerhin 15 Prozent", freut sich Krcmar. Hier gebe es aber noch viel zu tun – und da seien vor allem die österreichischen Partner aufgerufen: "Leider kommen nur sehr wenige österreichische Männer, um sich über Sprachkurse, Fortbildungen oder mögliche Kontakte für die ausländischen Partnerinnen zu informieren", erklärt die Beraterin. Im Vorjahr waren es vier Männer.

In vielen Fällen wäre auch eine Partnerberatung sinnvoll. Beispielsweise im Fall der jungen Frau aus Ghana, die ihr kleines Zusatzeinkommen dem älteren österreichischen Partner vollständig abliefern muss. "Er scheint die Beziehung stark zu dominieren und Kontrolle über sie auszuüben. Wir boten eine Partnerberatung an – doch er wollte nicht in die Beratungsstelle kommen", bedauerte Schmutzer.

"Edle Wilde"

Viele vorgeblich "kulturellen" Probleme seien eigentlich auf Differenzen zwischen den Geschlechtern und Klassenunterschiede zurückzuführen, erzählt Krcmar. Häufig stecke von Seiten der ÖsterreicherInnen auch eine Portion Exotismus dahinter: Den ausländischen PartnerInnen werden hiesige Klischees über unberührte Naturmenschen übergestülpt. "Die eigenen Träume vom 'Edlen Wilden' sind manchmal wichtiger als die Chancen des Partners - eine Art koloniale Haltung", kritisiert die Beraterin.

Beispielsweise verliebte sich eine Ärztin im Urlaub in Gambia. In der Beratung erzählte sie von einem "kleinen Problem": Er sei Analphabet. Aber er habe eine "ganz tolle Fähigkeit zur Intuition". "Doch mit Intuition kommt man hier in Österreich nicht weit", ärgerte sich Schmutzer. Dies sei ein Ausnahmefall - doch Bildungsunterschiede seien häufig gegeben; sprachliche Schwierigkeiten fast immer. "Diese Differenzen müssen bewusst abgearbeitet werden - es geht darum, dass die PartnerInnen Netzwerke knüpfen, sich weiterbilden, die Sprache erlernen."

Lohnendes Aushandeln

Wenn das klappt, dann sei eine bikulturelle Beziehung absolut lohnend, erzählt Schmutzer - auch aus ihrer persönlichen Erfahrung: "Man lernt laufend Neues kennen, wird selbst auch freier - befreit sich von Zwängen und erweitert seine Perspektiven." Man müsse oft etwas aushandeln, doch gerade dadurch werden viele Konflikte auch angesprochen, bevor sie beziehungsschädigend sind.

Eine Bereicherung sei auch die zweite Familie, "die zweite Heimat". Ein Wermutstropfen sei nur, dass es doch für viele ÖsterreicherInnen schwierig wäre, in dieser zweiten Heimat zu leben: Schon aufgrund des Schul- und Gesundheitssystems. "In ein Land zu ziehen, in dem man wegen eines eitrigen Zahns sterben könnte, ist für viele nicht vorstellbar", sagt Krcmar.

Ob hier oder dort - für eine erfolgreiche bikulturelle Partnerschaft sollten sich die Verliebten bereits vor ihrer Hochzeit ausführlich über das Land, Einstellungen, Religion und Kultur des Partners oder der Partnerin informieren, Sprachkurse organisieren und Netzwerke knüpfen. Dafür wäre Fibel da. "Doch", so Schmutzer, "all das tritt durch diese neuen Gesetze leider völlig in den Hintergrund". (Heidi Weinhäupl, derStandard.at, 12.12.2006)