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Foto: dpa/ Oliver Weiken

Wien- Das Telefonieren mit dem Handy ist ungefährlicher als weitläufig behauptet – zu diesem Ergebnis kommen die Experten des "Wissenschaftlichen Beirat Funk" (WBF). Zum dritten Mal haben sie 33 internationale Studien des vergangenen Jahres überprüft. Es konnte weder einen direkten Zusammenhang zwischen Mobilfunkstrahlung und Tumorenbildung, noch eine Beeinträchtigung des Nervensystems nachgewiesen werden.

Wissenschaftlicher Zugang

"In der Diskussion um die Schädlichkeit von Mobilfunk herrschen sehr starke Emotionen vor", bedauerte Beiratsvorsitzender Norbert Vana, Professor für Dosimetrie und Strahlenschutz an der Technischen Universität Wien. Der WBF wolle das Thema daher "wissenschaftlich bearbeiten", viele der Studien auf diesem Sektor würden eine Prüfung nach wissenschaftlichen Kriterien nicht Stand halten.

Bei den Untersuchungen habe man sich an der gängigen wissenschaftlichen Praxis orientiert, so wurde etwa geprüft, ob statistische Signifikanzen beachtet wurden, eine Wiederholbarkeit der Studien gegeben war, oder ob so genannte Blindversuche eingesetzt wurden.

Detaillierte Überprüfung nicht möglich

Die Expertenrunde aus Neurologen, Epidemiologen, Arbeitsmedizinern und Psychologen u.a. kommt zu dem Ergebnis, dass es "keinerlei Hinweise" für eine verstärkte Tumorbildung durch Handystrahlung gebe, sagte der Wiener Epidemiologe Univ.-Prof. Christian Vutuc. In Österreich gebe es bisher aber "zu wenig Tumore, die darauf zurückzuführen sind" , räumte er ein, eine detaillierte Überprüfung sei daher nicht möglich.

Weit unter den Risiken des Alltags

"Eindeutig auszuschließen" ist laut Christian Wolf von der Klinischen Abteilung Arbeitsmedizin der Medizinuniversität Wien "eine negative Beeinflussung auf das Nervensystems" zum Beispiel durch eine Veränderung der Schlafqualität oder der allgemeinen Befindlichkeit. "Wenn es Effekte gäbe, würden sie weit unter allen anderen Risiken des Alltages liegen", sagte Wolf weiter.

Je mehr Masten, desto geringer die Exposition

Was die tägliche Belastung durch elektromagnetische Felder – verursacht durch technische Geräte wie Fernsehen oder Rundfunk – angehe, konnte Vana ebenfalls abwinken: "Die Gesamtbelastung erreicht nur maximal 20 Prozent der durch die WHO vorgeschriebenen Grenzwerte." Auch Handy-Masten würden im Gegensatz zum Mobiltelefon nur ein Zehntausendstel der Strahlungen aussenden. "Je mehr Masten es gibt, desto geringer ist die Exposition (Ausgesetztsein des Körpers gegenüber Umwelteinflüssen, Anm.), weil die Masten die Strahlung herunterregeln", ist der Experte überzeugt.

Studie der WHO mit Spannung erwartet

Die Technologie der vergangenen zehn Jahre seien laut den Studien ungefährlich, man müsse sich jetzt aber vor allem auf neue Errungenschaften wie UMTS, WLAN oder Bluetooth konzentrieren, führte Vana aus. Ebenso warnte er davor, sich auf Einzelstudien zu beschränken, mit Interesse warte der WBF daher auf die voraussichtlich für Frühjahr 2007 erwarteten Ergebnisse der "Interphone"-Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Sie bündelt Untersuchungsergebnisse zur Gesundheitsgefährdung durch den Mobilfunk aus mehreren EU-Ländern.

Warnung der Ärztekammer
Die Wiener Ärztekammer warnt hingegen vor uneingeschränktem Telefonieren mit dem Handy. Sie beruft sich auf die "Reflex-Studie", in der nachwievor Unklarheiten zu gentoxischen Effekten von Mobilfunkstrahlen bestehen. Als Reaktion brachte die Ärzteschaft eine Broschüre mit zehn medizinischen Handyregeln heraus, wobei empfohlen wird, Kinder und Jugendliche am besten garnicht mit dem Handy telefonieren zu lassen.

Auch erste Teilergebnisse der "Interphone-Studie" ergeben ein 1,8-fach erhöhtes Risiko für Hörnerv-Tumore nach zehn Jahren Handytelefonie, " das kann von der Mobilfunklobby nicht einfach unter den Tisch gekehrt werden", so Erik Huber, Referent für Umweltmedizin der Ärztekammer für Wien.

Techische Entwicklung überhole Erforschung der Auswirkungen

"Natürlich will ich kein totales Handyverbot. Diese Technologie ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken, und ich kenne durchaus auch die positive Seiten", so Huber. Die rasante technische Entwicklung der mobilen Kommunikation überhole allerdings die biologische Erforschung ihrer Auswirkungen bei Weitem.

Huber: "Die Risikobewertung von neuen Produkten beruht immer auf Zell- und Tierexperimenten. Keine Firma der Welt entwickelt ein Arzneimittel, das bei Versuchstieren oder in Zellexperimenten Krebs auslöst, und sagt dann, das werde beim Menschen schon nicht auftreten."

Langzeitfolgen könnten nicht abgeschätzt werden

Die langfristigen Auswirkungen und Spätfolgen könnten derzeit noch nicht abgeschätzt werden, daher gelte uneingeschränkt das Vorsorgeprinzip. "Bis wir überzeugende Langzeitergebnisse haben, die gesundheitliche Folgen glaubwürdig und substanziell ausschließen, ist maximale Vorsicht geboten", warnt Huber, voreilig die Bevölkerung in Sicherheit zu wiegen. (APA/red)