Heftig debattierten (v. r.) Paul Herzfeld, Norbert Teufelberger, Bernhard Felderer und Heinz Mayer, dazwischen Alexandra Föderl-Schmid.

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Wien – Eine Milliarde Euro Steuerzuwachs plus 30 Millionen an Werbeumsatz für die Republik stellte der Ko-Vorstandschef des Internet-Sportwettenanbieters Bwin, Norbert Teufelberger, in Aussicht, wenn das staatliche Glücksspielmonopol fallen würde. Immerhin seien die Casinos und die Lotterien heute "viertgrößter Werber Österreichs".

Die meisten Mitdiskutanten beim STANDARD-Montagsgespräch zum "Fluch oder Segen?" des Glücksspielmonopols konnte er damit nicht überzeugen. Eine der Hauptbefürchtungen in diesem Zusammenhang war nämlich der Anstieg der Spielsucht, wie sich in der Diskussion unter der Leitung von STANDARD-Wirtschaftsressortleiterin Alexandra Föderl-Schmid zeigte.

So pochte Paul Herzfeld, der stellvertretende Generaldirektor der Casinos Austria AG, darauf, dass etwa in Niederösterreich, wo das "kleine Glücksspiel" (Spielautomaten) erlaubt sei, "die Spielsucht eindeutig gestiegen ist". Das Monopol sei wichtig, so Herzfeld weiter, denn für die Casinos Austria stehe "nicht der Gewinn im Vordergrund, sondern die Sicherheit. Und erst in zweiter Linie die Staatseinnahmen" – was das Publikum im randvollen Veranstaltungssaal des "Haus der Musik" mit hörbarem Gelächter quittierte.

Dass seine persönliche Meinung pro oder contra Staatsmonopol sowie zum Suchtpotenzial des Glücksspiels "irrelevant" sei, brachte Verfassungsrechtler Heinz Mayer von der Universität Wien ein: "Es kommt alles auf den Europäischen Gerichtshof (EuGH) an." Momentan laufe ein Verfahren gegen Österreich und acht weitere EU-Mitgliedsstaaten, in dem schließlich über die Marktliberalisierung entschieden werde.

Als rechtliche Grundlage diene dabei die EuGH-Entscheidung im Fall Gambelli vom November 2003. Darin wurde festgestellt, dass die italienische Regelung, die Annahme von Wetten ohne bestehende Konzession zu strafen, mit der europäischen Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit kollidiere. "Unter Berufung auf Gambelli hat der deutsche Bundesverfassungsgerichtshof im Frühjahr auch das bayrische Glücksspielmonopol aufgehoben." Dass Monopole in einem freien Markt wie der Europäischen Union "nicht nur schwarze, sondern tiefschwarze Schafe" seien, ließ Mayers persönliche Präferenz dann doch durchscheinen. Die Thematik der Suchtgefahr, stellte er klar, sei jedoch eine gänzlich andere Diskussion. Nicht Liberalisierung sieht der Leiter des Instituts für Höhere Studien, Bernhard Felderer, auf die EU zukommen, sondern vielmehr ein Marktversagen – immer unter der Voraussetzung, dass das Monopol wirklich fallen wird.

"Wenn wir einen normalen Markt liberalisieren, dann werden Produkte billiger, und meist bringt das Ganze auch noch positive qualitative Folgen mit sich", erklärte Felderer. Das Glücksspiel entziehe sich jedoch dem gewohnten Prinzip von Angebot und Nachfrage. Letztere orientiere sich nämlich hier nicht am Angebot, sondern "am Höchstgewinn", was beim Sonntagsjackpot im Lotto regelmäßig zu beobachten sei. Der "Erwartungswert", also die wahre Gewinnchance bei einem Spiel, gehe daneben verloren, werde intellektuell ausgeblendet. Eine europaweite Freigabe des Glücksspiels würde wohl "rasch zwei bis drei große Lotterien hervorbringen". Damit, so Felderer, wären die Konsumenten als solche zwar sicherlich besser gestellt – "es würden aber auch garantiert mehr Leute spielen".

Bwin-Vorstand Teufelberger sieht unter diesem Blickpunkt auch dem staatlichen Glücksspiel jede Grundlage entzogen: "Wenn es schon schädlich ist zu spielen, dann wird es doch nicht unschädlicher, indem man es wenigen Unternehmen vorbehält."

Diesem Argument wollte sich vor allem das Publikum nicht verschließen, und so gab es zahlreiche Wortmeldungen, die Casinos Austria-Vorstand Herzfeld in die Verantwortung nahmen: "Dass die Casinos mit dem Slogan 'märchenhaftes Glück' werben, ist unverschämt", echauffierte sich ein nach eigener Angabe von Spielsucht Betroffener. "Wenn Sie das nur einen Tag durchhalten, dann sind Sie bankrott." Das Monopol sei jedenfalls das kleinere Übel, schließlich "ist eine Abzockerpartie besser als drei".

"Wir sollen also nicht werben dürfen", fragte Herzfeld, "aber gleichzeitig laufen im TV_die Spots aus dem Ausland?" – Werbung sei "legitim und notwendig", man müsse "darauf hinweisen, dass es ein Angebot gibt, das kontrolliert ist". Dazu verwies Mayer wieder auf das Gambelli-Urteil: Unzulässig sei, "einerseits den Markt beschränken zu wollen, andererseits aber das Angebot durch den Monopolisten auszubauen. Das geht nicht." (Bernhard Madlener, DER STANDARD - Printausgabe, 29. November 2006)