John Lueftner

Foto: Superfilm

David Schalko

Foto: Superfilm

Lueftner: Zunächst, bis jetzt war da nichts Neues bei. Von wegen Ansatz oder Diskussionsbeitrag; die letzte Woche skizzierte Einflussnahme der werbenden Wirtschaft auf unser Fernsehprogramm findet statt. Nicht mittels versteckter Werbebotschaften, sondern indem man sich für seine Werbeschaltungen das programmlich passende Umfeld wünscht. Beziehungsweise dieses Umfeld, zumindest teilweise, als Bedingung für Schaltungen diktiert. Was aber entsteht daraus, oder, welches Umfeld hält man warum für passend? Nach welchen, natürlich keinesfalls aufklärerischen Kriterien?

Der knallharte bundesdeutsche Fernsehvertriebschef stöhnt die Tage darüber, dass man 'Denen' ohnehin nur mehr mit flachen romantischen Komödien und Dramoletten zu kommen braucht. Mylady an den Klippen, oder endlich poppen. Also doch, echtes Prozac für die sedierten Mittfünfziger.

Dann gibt's natürlich quotenstarke, werbe(an)treibende Erfolgsmotoren wie Dancing Stars oder Starmania. Hier keine Frage. Aber auch großes Interesse an den Werbeblocks in z.B. der ORF – Donnerstag Nacht, also einer kritischen, ausgefransteren Alternative- oder wenn man möchte Avantgardefläche. Und gleichzeitig Absagen der Werber an Dschungelshows; sicher nicht wegen der Quoten dort, die waren und sind ja erstaunlich. Sondern wahrscheinlich um die Marke nicht mit Unfug, keinesfalls aber mit Kakerlaken aufzuladen.

Es scheint also nicht nur um Prokopfhits, um Frequenz, um die Quote zu gehen.

Gibt es, neben alldem leidlich bekannten, zum Thema also irgendetwas Neues, zum auf den Tisch legen, bzw. zum in die Diskussion werfen? Gibt es eine Antwort auf die Frage: wie man hartes Geld aus Industrie und Wirtschaft aufbringen könnte, für unbedenklich freien Inhalt, also völlig liberalisiertes Programm?

Diese Frage als Antwort und Ansatz programmiert machte das Medium zur Botschaft. Man schafft ein Gefäß, also eine Versendungs- oder welche Verbreitungsmöglichkeit auch immer. Die Industrie bezahlt, was dort stattfindet, nimmt darauf aber erklärterweise und per Definition keinerlei Einfluss. Wenn zynische Gutmenschenkonzerne diese Fläche missbrauchten, also Turnschuhfabrikanten ihre Latschen aufladen würden mit einer falschen ganzen Wahrheit, über Gutmenschenkonzerne, Globalisierung, mit appetitlichen Details zur Turnschuhfabrikation (bzw. mit ihren Ideen und Konzepten dafür und dagegen – welche sie von der Konkurrenz unterscheiden): man würde sie dafür an die Wand nageln.

Je länger man darüber nachdenkt: das ist alles nix. Nichts für knallharte Händler, und eigentlich auch gar nicht so spannend für knallharte Markenartikler.

Schalko: Ich finde, dass da auch ein großer Anteil beim Zuseher liegt. Der Werbetreibende kann ja nur den Inhalt verlangen, von dem er glaubt, dass er auch konsumiert wird. Und leider, das muss man sagen, sind das in großer Masse die "Jetzt Poppen"-Fernsehfilmchen, die ewig gleichen deutschen Krimiserien und die oft beschimpften Berieselungsshows. Man wird ja das Gefühl nicht los, dass unsere ach so aufgeklärte Gesellschaft vielleicht gar nicht so aufgeklärt ist – auch wenn sich jeder Dahergelaufene (ich selbst nicht ausgenommen) dazu bemüßigt fühlt, in Blogs, Postings etc. seine Meinung zu Allem kund zu tun. Ich finde, dass hier auch das Gegenmodell des Internet versagt hat.

Denn dort, wo sich im freien Internet heute die Massen aufhalten, sitzen schon längst Konzerne, um die Inhalte in ihre Richtung zu steuern. Vielleicht hat dieses ständige die Meinung rauskotzen auch etwas mit dem Druck zu tun, dass man sich heutzutage in allen Belangen so wahnsinnig aufgeklärt geben muss. Und daher ständig jeder mit seinem Halbwissen glänzt. Immerhin beziehen wir unser Halbwissen ja hauptsächlich aus einer Internetenzyklopädie, die von potentiell Halbwissenden geschrieben wird. Es gibt eine Theorie, die besagt, dass leichtere Zugänge zu Bildung tendenziell für weniger Bildung sorgen. Ist das so? Vielleicht. Auf jeden Fall kann man nicht die "bösen Konzerne" für alles verantwortlich machen. Ich glaube, dass die Aufklärung die letzte große Utopie ist, die kurz vor ihrem Scheitern steht. Und unsere Gesellschaft heute regressiver denkt, als vor 30 Jahren.

Außerdem haben die "bösen Konzerne", "die bösen Regierungen" auch kein Interesse daran, einen mündigen Bürger, einen mündigen Konsumenten vor sich stehen zu haben. Es würde erstens ihre eigenen Unzulänglichkeiten hervor streichen und zweitens lassen sich die Bevormundeten leichter regieren, kontrollieren, in Zielgruppen kategorisieren. Deshalb wird der Sinn von Kommunikation auch weiterhin der bleiben, zu verschleiern statt zu vermitteln, Illusionen zu verkaufen als die Wahrheit zu sagen. Und die Strategie, zwar die Wahrheit zu sagen, aber das Gegenteil zu tun, gehört in Politik und Wirtschaft schon längst zum Propagandaeinmaleins. Die Frage stellt sich nur: Wo werden wir in Zukunft die Information finden, die der Wahrheit am nächsten kommt? Wo werden in Zukunft die Inhalte laufen, die nicht auf der Hand liegen, (nicht von Werbekunden bestellt), sondern visionär sind?

Vision verlangt ja auch Mut zum Risiko. Und diese Form des Mutes steht tatsächlich nicht hoch im Kurs, um im Börsenjargon zu bleiben. Wer finanziert die geschützten Werkstätten, in denen progressiv gearbeitet werden darf? Diese geschützten Werkstätten sind doch die letzten Schutzbunker einer aufgeklärten Gesellschaft. Aber vielleicht hat ja jemand anders eine visionäre Idee dazu. Ich sehe diese Freiräume von Jahr zu Jahr schwinden. Aber eben auch die Akzeptanz der Leute, diese Freiräume anzunehmen.

PS: Beckett sagte, "in aufregenden Zeiten kann man nur noch durch Langeweile schockieren." Leben wir in aufregenden, oder unaufregenden Zeiten?

Lueftner: An welchen Mäzen hättest Du letztens gleich nochmal gedacht?