Die Mitteilung, dass der ehemalige russische Geheimdienstagent Alexander Litwinenko mit radioaktivem Polonium-210, das etwa auch zur Auslösung von Kernreaktionen in Atombomben verwendet wird, vergiftet worden ist, hat Ratlosigkeit bei Behörden und Bevölkerung ausgelöst. Zahlreiche Medien ergehen sich in der Frage, wie das Gift nach Großbritannien gelangen konnte. Manche gehen recht fix davon aus, dass es aus Russland kam und mittels Diplomatengepäck vorbei an Zoll und Flughafenpolizei geschmuggelt wurde.

Giftstoff aus Atomanlagen

Experten in Russland betonen, der Giftstoff konnte nur in Atomanlagen produziert werden, eine Herstellung in Privatlabors sei auszuschließen. So verwundert es nicht, dass nun auch das berüchtigte Geheimlabor des einstigen KGB und seines Nachfolgers FSB ins Gespräch gekommen ist. Schon bei der Dioxinvergiftung des ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko vor zwei Jahren wurde viel darüber gemunkelt.

Labor Nummer 12

Von 1921 an entwickelte der KGB in einem Geheimlabor, der berüchtigten „Kammer“ oder dem „Labor Nummer 12“, giftige biologische Rezepturen und chemische Stoffe, die kaum Spuren hinterlassen. Erst vor zwölf Jahren wurde durch das Buch „Spy Master“ des übergelaufenen KGB-Generals Oleg Kalugin bekannt, dass etwa die Ermordung des bulgarischen Dissidenten Georgi Markov 1978 in London mit Ricin erfolgt war.

Biological Espionage“

Dass das Geheimlabor vom jetzigen FSB weitergeführt wird, wurde erst 2005 bekannt – durch den Ex-Agenten Alexander Kusminov, der in Neuseeland sein Buch „Biological Espionage“ veröffentlichte. Der in London und Wien lebende Ex-Offizier des russischen Militärgeheimdienstes Boris Volodarski schreibt, die „Kammer“ bediene heute vor allem jene Abteilung der russischen Auslandsaufklärung, die sich mit Fragen eines biologischen Krieges beschäftigt.(Eduard Steiner aus Moskau/DER STANDARD, Printausgabe, 28.11.2006)