Susanne Scholl

Foto: ORF/Johannes Cizek
Die Russland-Korrespondentin des ORF, Susanne Scholl, sowie ihr Kameramann und ihr Tontechniker wurden am Freitag bei Recherchen in der kaukasischen Krisenprovinz Tschetschenien vorübergehend festgenommen. Die langjährige Leiterin des ORF-Büros in Moskau sei bei genehmigten Dreharbeiten in Tschetschenien zunächst festgenommen, am Freitag jedoch wieder freigelassen worden, berichtete der ORF. Ein Teil des Bildmaterials wurde beschlagnahmt.

Scholl war sechs Stunden lang auf der Polizeistation in Atschchoi-Martan festgehalten worden. Wie der Chef der ORF-Außenpolitik, Peter Fritz, erklärte, vermutet die Journalistin, dass es sich um Agenten des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB gehandelt habe. Diese hätten Scholl nach Abschluss der Dreharbeiten angehalten und gesagt, dass die Drehgenehmigung nicht ausreichend sei, berichtete Fritz.

Außenministerium intervenierte

Die österreichischer Botschafter in Moskau, Martin Vukovich, habe im Fall der festgenommenen ORF-Korrespondentin interveniert, bestätigte die Sprecherin des Außenministeriums, Astrid Harz, gegenüber der APA. Das österreichische Außenministerium habe dem russischen Außenamt durch eine Verbalnote mitgeteilt, "dass es nicht sein kann", dass Scholl und ihr Team festgenommen und das Material beschlagnahmt werde, obwohl die Dreharbeiten genehmigt worden seien. In der Antwort habe Moskau betont, dass es die österreichische Sicht teile, erklärte Harz.

Die russischen Behörden stellten die Festnahme der Journalistin als Eigenmächtigkeit der tschetschenischen Behörden dar. Diese haben von der ORF-Korrespondentin die Herausgabe des Materials verlangt, was diese verweigerte, ergänzte Harz. Daraufhin habe sich Scholl an die Botschaft gewandt; am Freitagnachmittag sei sie freigelassen worden. Laut Fritz musste Scholl ein Satellitentelefon und die Kassette, die sich in der Kamera befand, zurücklassen. Es sei versprochen worden, dass das Material dem russischen Außenministerium zugestellt werde.

Protest gegen das Vorgehen

Am Rande der St. Pöltner Medientage erklärte der künftige ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz, dass der ORF bei der russischen Botschaft in Wien Protest gegen das Vorgehen der russischen Behörden gegen die Journalistin einlegen werde.

Scholl hatte am 9. November bei einem Vortrag in Wien eine kritische Bilanz der Medienfreiheit in Putins Russland gezogen. Der Kampf gegen unabhängige, nicht vom Kreml kontrollierte Medien sei unter Präsident Vladimir Putin "sehr energisch" geführt worden, sagte Scholl bei der Verleihung des europäischen Journalistenpreises "Writing for CEE" an den bosnischen Journalisten Sefik Dautbegovic in Wien. In Putins Russland gebe es nur zwei Sorten von Journalisten: "Solche, die schreiben, was dem Präsidenten genehm ist - und die Feinde".

Scholl warnt vor "moralischer Überheblichkeit"

Journalisten sehen sich immer wieder vor die Wahl gestellt, ihre Familien nicht mehr ernähren zu können oder sich zu unterwerfen. Manche russische Journalisten hätten sich auch schlichtweg verkauft. "Sie sind unter das Kremldach gekrochen - wie man auf Russisch sagt, wenn sich jemand unter den Schutz eines Mächtigen begibt." Ähnliches gebe es auch im Westen, warnte Scholl vor moralischer Überheblichkeit gegenüber den Ländern des ehemaligen Ostblocks.

Scholl: "Nichts gefilmt, was verboten ist"

Scholl hat am Freitagabend in der ZiB betont, dass sie und ihr Kamerateam in Tschetschenien "nichts gefilmt" habe, "was verboten ist". Das Team hatte die Arbeit in Tschetschenien abgeschlossen und sei auf dem Weg in die benachbarte Provinz Inguschetien gewesen, um von dort nach Moskau zurückzufliegen. Nach den Vorfällen habe sie den Eindruck, dass "man keine Journalisten in Tschetschenien will", sagte die langjährige Moskau-Korrespondentin. (APA)