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Die wirklich guten bösen Sachen hat man als ordentlicher Lausebengel vor Erreichen der Strafmündigkeit erledigt. Karamell verdrücken, bis die Zähne schmelzen etwa - obwohl das immer wieder gut tut. Kaum etwas durchflutet einen so rauschhaft mit diesem wohligen Gefühl aus Kindheitstagen, das unmissverständlich sagt: pfoah, tut das gut, das stopf ich rein, bis nix mehr geht. Richtig guter Stoff eben.

Weil die Briten auf solch primordiale Gefühlsregungen offenbar besonders heftig anschlagen, stammt das vorliegende Buch von einer Irin - wenn Trish Deseine auch seit Jahren in Frankreich lebt. Das hat mit ihrem Mann und vier Kindern zu tun, die hier nach allen Regeln der Backkunst gemästet werden - aber auch damit, dass es laut Deseine in Frankreich einfach das beste Karamell der Welt zu holen gibt. Die Rede ist vom "Caramel au beurre salé" der Chocolaterie Joël Durand in St. Rémy-en-Provence (Chocolat Durand), das zwar nur aus Zucker und gesalzener bretonischer Butter besteht, dessen Schmelz trotz zigfacher Kopierversuche von Patissiers zwischen Nordkap und Japan aber nie annährend erreicht wurde. Deseine verwendet es ausgiebig in ihrer Küche, sie liefert aber auch Ausweichmöglichkeiten.

Diese Unbekümmertheit im Umgang mit Fertigprodukten macht das Buch sympathisch: Neben Rezepten, bei denen auf (im Internet erhältliches) Durant-Karamell verwiesen wird, gibt es andere, bei denen Snickers- und Mars-Bars schamlos zum Schmelzen gebracht oder Maltesers zerbröselt werden: Wie es halt so zugeht in Großfamilien, die auf Desserts stehen. Den Hauptteil machen aber restlos anständige "echte" Rezepte aus, die von großer Liebe für Karamell künden, wunderbar fotografiert und gut nachkochbar sind. Besonders verlockend: Britische Klassiker wie Banoffee Pie, Treacle Tart und Trifle, die man bei uns zu Unrecht kaum kennt. (corti/Der Standard/Rondo/24/11/2006)