Bis zu 2000 Uhrwerke gelangen täglich zur COSC, in der Computer, Spezialkameras, Klimakammern und andere Gerätschaften die so genannte Ganggenauigkeitsprüfung vornehmen

Foto: COSC
Wenn's um Flieger-Chronografen geht, denkt man beinahe zwangsläufig an Breitling. Deshalb gründet sich das Credo von Jean-Paul Girardin, dem Vizepräsidenten und operativen Breitling-Chef, auch auf Aspekten der Fliegerei: "In einem Flugzeug ist alles und jedes zertifiziert, warum also sollten für Präzisionsuhren andere Maßstäbe gelten?"

Schon Mitte der 1990er-Jahre hielt er sich an die Umsetzung der 100-Prozent-Lösung in Sachen Genauigkeit. "Breitling wollte auf jeden Fall unabhängig bleiben, und wir mussten uns die Frage stellen, wie man als unabhängige Marke in Zeiten der Konzentration auf wenige Großkonzerne überleben kann." Die Antwort des Managements? "Qualität und nochmals Qualität." Weil diese jedoch nur begrenzt wahrnehmbar ist, gelangten besagte Parallelen zur Fliegerei auf den Tisch. "In der Schweiz gibt es nämlich nur einen Aspekt, der sich offiziell checken sowie schwarz auf weiß belegen lässt: Die amtliche Ganggenauigkeitsprüfung der COSC", erklärt Girardin die Initiative.

"Mit halben Sachen wollten wir uns nicht begnügen. Deshalb fiel die weit reichende Entscheidung, unsere mechanischen wie elektronischen Uhrwerke ausnahmslos zertifizieren zu lassen." Das wiederum brachte Probleme anderer Art mit sich. Auf Quarzwerke, und vor allem auf solche mit digitaler Zeitanzeige, war die COSC nicht eingestellt. "Also galt es, gemeinsam Gerätschaften für diese Art von Uhrwerken zu entwickeln." Auf der anderen Seite musste Breitling mit Einführung der 100-Prozent-Zertifizierung andere, bessere Quarzkaliber verwenden. Zwischenzeitlich bezieht Breitling vom Hauslieferanten Eta jährlich mehr als 30.000 Uhrwerke mit aufwändiger Temperaturkompensation.

"Die gehen zehnmal genauer als normale Quarzwerke, und nur sie können die strengen COSC-Normen erfüllen." Ganz konkret: Die Gangabweichung der offiziell geprüften Quarzwerke liegt bei monatlich etwa einer Sekunde. Der Blick auf die amtlichen COSC-Statistiken bestätigt übrigens noch etwas anderes: Derzeit versorgt einzig und allein Breitling die offizielle Genfer Quarzwerk-Prüfstelle mit Arbeit.

"Swiss Made" ist kein leeres Versprechen

Aber auch die mechanischen Uhrwerke, speziell die jährlich rund 70.000 Chronografen verkörpern eine besondere Herausforderung. Breitling nahm sie an und errichtete eine eigene Chronometrie-Dependance in La Chaux-de-Fonds, in der rund 150 Leute Arbeit fanden. Girardin: "Im Stammsitz Grenchen sind weitere hundert Menschen beschäftigt." Daher ist die Zifferblattaufschrift "Swiss Made" bei Breitling kein leeres Versprechen. Alle Komponenten entstammen eidgenössischer Produktion. Der Zusammenbau sämtlicher Werke und Uhren erfolgt im eigenen Haus. Lediglich die Dekoration der Oberflächen erledigen Spezialisten. "Durchgängig hohe Qualität erfordert, dass wir in der Schweiz produzieren. Und dann ist da noch das Problem der Plagiate. Wenn Sie Gehäuse in China herstellen lassen, können Sie niemals sicher sein, dass nicht ein Teil davon in ungewollte Kanäle versickert."

Vor dem COSC-Prozedere bringen alle Breitling-Werke zehn verschiedene Kontrollstadien hinter sich. Allein 19 Mitarbeiter sind mit der reglementbedingten Regulierung beschäftigt. "Allerdings erfolgt in unserer Chronometrie eine direkte, also wesentlich strengere Messung. Computer rechnen die elektronisch erfassten Momentaufnahmen in den verschiedenen Lagen auf COSC-Bedingungen hoch. Somit ist die spätere Ausfallquote denkbar gering."

Von der blitzsauberen Breitling-Chronometrie zum Gebäude, in dem Pierre-Yves Soguel und seine Mitarbeiter höchst offiziell über die Sekunden wachen, sind es nur rund zehn Kilometer.

Äußerlich macht die Prüfstelle, welche im 17-stöckigen Haus mit der Postanschrift Rue Bournot 33 die erste Etage belegt, nicht viel her. Wer die Holztür mit schlichtem Messingschild und eine verriegelte Sicherheitsschleuse passieren durfte, gelangt ins Allerheiligste der Contrôle Officiel Suisse des Chronomètres. Die COSC beschäftigt sich von Amts wegen mit der Prüfung von Präzisionsuhren, welche nach Bestehen eines 15-tägigen Dauertests das offizielle Gangzeugnis erhal- ten.

Dienst nach Vorschrift

Die strenge Abschirmung ist unverzichtbar, denn täglich treffen hier bis zu 2000 Probanden ein, um sich dem gestrengen Zeit-Rigorosum zu unterwerfen. Pierre-Yves Soguel lässt es kalt, woher sie stammen. Und er macht auch keinen Unterschied, ob ein Kunde jährlich hundert oder hunderttausend Werke zu COSC expediert. Der 53-Jährige mit dem höflichen, aber bestimmten Auftreten eines Industriemanagers agiert konsequent wie ein Beamter, nämlich nach den Vorschriften.

"Hier wird jede einzelne Uhr untersucht", erklärt er lakonisch, "statistische Kontrollen machen wir nicht." Mit anderen Worten: Der Schluss von einem Dutzend Uhrwerke auf die restliche Charge ist ausgeschlossen. Unzulässig sind auch fertige Uhren oder Automatikwerke mit montierter Schwungmasse. Daher beginnt das routinemäßige Prozedere mit einem Vorab-Check. Nur Absolventen eidgenössischer Provenienz finden hier Einlass.

Auch Exemplare, die nicht dem vorgeschriebenen Einheitslook entsprechen, bekämen sofort die rote Karte zu sehen. Aber so weit lassen es die Lieferanten gar nicht erst kommen. Sie wissen genau um die geforderten Einheitsschalen, das Design von Prüfzifferblatt und -zeiger sowie die Form der Krone, welche ein automatisiertes Spannen der Zugfeder ermöglicht.

Zur Prüfung gemäß Schweizer Norm SN/ISO 3159 wandern die Aspiranten, alle militärisch korrekt auf Prüfplatten befestigt, in Klimakammern. Dort ist Routine alles. Bei 23 Grad Celsius verbringen die Werke 24 Stunden in senkrechter Position mit der Krone auf der linken Seite. Es folgen eine Kontrollmessung, maschineller Aufzug, nochmals 24 Stunden mit der Krone links, erneute Kontrollmessung. Nach abermaligem maschinellem Aufzug stehen jeweils zwei Tage in den Positionen "Krone oben", "Krone unten" sowie in Flachlage mit dem Zifferblatt oben und unten auf dem Programm. Zudem müssen sich die Kandidaten auch noch bei Temperaturen von 8 und 38 Grad Celsius bewähren. Bei Chronografen ist zusätzlich von Interesse, ob die während der vergangenen 24 Stunden zugeschaltete Stoppfunktion das Gangverhalten merklich beeinflusst.

Ohne Elektronik ließe sich das Tagespensum von 10.000 bis 15.000 Exemplaren unmöglich bewältigen. Spezialkameras erfassen stündlich bis zu 3600 Zeiger. Computer vergleichen ihren Stand gnadenlos mit der Atomzeit und den vorausgegangenen Werten. So stehen die Erfolgreichen, bei denen sich unter anderem der mittlere tägliche Gang zwischen maximal 4 bis +6 Sekunden bewegte, am Ende rasch fest. Begleitet von einem Zertifikat, gelangen sie zurück zum Absender.

Auch die "Versager" kehren heim, wie tote Käfer auf dem Rücken liegend. Die Rechnung kommt für alle. Auch hier ist Monsieur Soguel bemerkenswert eisern. Für ihn sind "Chronometer Kunstwerke, die nur nebenbei auch die Zeit anzeigen." Zum Abschied gibt es noch eine kokette Empfehlung von Soguel. Er lächelt, als er sagt: "Wenn man nur wissen will, wie spät es ist, braucht man doch keinen Chronometer. Dann sollte man besser eine hübsche Frau ansprechen. So wird vielleicht mehr in Erfahrung gebracht als nur die Uhrzeit." (Gisbert L. Brunner/Der Standard/Rondo/24/11/2006)