Foto: Orlanda

Nachdem ich von dem Roman "Ende der Nacht", der von einer Frau handelt, die Anfang der 70er-Jahre Junkie wird, sehr berührt war und mir derjenige auch literarisch sehr gefallen hatte - siehe Rezension auf Wolfsmutter - erwartete ich von dem neuen Buch von Ingrid Strobl – "Es macht die Seele kaputt – Junkiefrauen auf dem Strich" einen sachlichen Bericht mit wissenschaftlichem Anspruch. Überraschenderweise liest sich auch dieses Buch wie ein Roman, nimmt mich gefangen, entsetzt, berührt mich, und lässt es mir schwer fallen, es nicht sofort zu Ende zu lesen. Am Ende "mag" ich die meisten dieser Frauen, bin wieder einmal beeindruckt von der Feinfühligkeit und Gescheitheit von Ingrid Strobl und der ihrer Interviewpartnerinnen.

Ingrid Strobl hat heroinabhängige Prostituierte ausführlich, aufmerksam und mit viel Behutsamkeit zu ihrem Leben befragt. Die Frauen berichten von – zu oft furchtbaren - Erfahrungen in ihrer Mädchenzeit, ihrem harten Leben auf der Straße, vom Einstieg in die Welt der Drogen, den ersten beglückenden Highs und der zunehmenden Abhängigkeit davon. Sie erzählen von der schweren Arbeit der Geldbeschaffung, von den ersten grauenhaften Erfahrungen mit sogenannten Freiern, dem Alltag und dem Horror des Anschaffens, von den – oft missglückten – Versuchen, clean zu werden, den Mühen des Methadonprogramms und vielem mehr. Das Wort "Freiwilligkeit" im Zusammenhang mit dem Thema Prostitution bleibt einem Angesichts der Schilderung von "Freiern" im Halse stecken!

Ingrid Strobl trifft die Frauen in ihrer Lebendigkeit, in ihren Stärken und ihren Witz - "Als Großmutter sollte man nicht mehr drauf sein" und sie schafft es immer wieder die Frauen lebendig und humorvoll werden zu lassen. Beim Lesen diese Buches merke ich erst jetzt wie nah ich selbst, aber auch viele meiner FreundInnen an einer Drogensucht vorbeispaziert sind – einige sind es leider nicht – und Ingrid Strobl beschreibt diesen totalen Gusto, die (scheinbare) Leichtigkeit und dann diese "ersten Turkey und alles ist gelaufen!". Frau vergeht mit fortschreitender Lektüre jegliche Lust auf Drogen jeder Art. Heroin sollte frau nie aus Neugier nehmen. Frau ist schneller drauf als sie denkt! Die interviewten Frauen wollten, dass Ingrid Strobl ein Buch macht, damit Frauen von Drogen und Strich abgehalten werden und das ist allen miteinander vorzüglich gelungen. "Je schöner die Drogen, desto schneller lauf davon!"

Ein wichtiges Buch für LehrerInnen, Teenager, SozialarbeiterInnen und Angehörige von Junkies und für Junkiefrauen, die auf den Strich gehen: "Also wenn es nach mir geht dann soll das ein Buch für uns werden, für die Frauen über die du schreibst. Damit wir das lesen können und etwas davon haben!" (Marilyn). Es ist ein wirklich gescheites, politisches Buch und spannend sowieso: Irgendwie zittert frau die ganze Zeit mit! (Ruth Devime)