Was blieb von 1969 übrig? Der Slowene Emil Hrvatin prüft den Zusammenhang von Henne und Ei.

Foto: Brigalini
Wien – Die Geschichte wiederholt sich – niemals. Denn ein Ereignis, das Geschichte geworden ist, wird nie wieder zu den gleichen Bedingungen stattfinden. In Kunstformen wie Performance und Tanz, die aus einmaligen Ereignissen bestehen, ist das nicht anders. Das macht den Umgang mit ihnen offensichtlich so schwierig, dass sie kaum Eingang in den gesellschaftlichen Bildungskanon finden.

Das elftägige Projekt "wieder und wider", eine Kooperation zwischen Tanzquartier Wien und dem Wiener Museum für moderne Kunst (Mumok), soll bis zum 18. November Licht ins Dunkel bringen: Wie kann mit historischen Performances in der Gegenwart umgegangen werden? Anstatt ein trockenes Symposium zu veranstalten, haben sich die beiden Institutionen entschlossen, mit praktischen Beispielen zu arbeiten.

Ihr Motto dabei lautet "performance appropriated" und meint Strategien der Aneignung anstatt Techniken der Rekonstruktion.

Der irische Künstler David Byrne ließ zu Beginn unter dem Titel Nominally an installation, a performance, or an event eine Skulptur von Donald Judd aufbauen. Allerdings als "Dummy", wie zu erfahren war, als die Performance vorbei war. Die hatte darin bestanden, dass zwei Techniker des Mumok den vermeintlichen Judd aus sorgfältig verpackten Platten zusammenschraubten. Sichtbarmachen von verborgener Arbeit war das Ziel dieses ironischen Werks, das mit dem fertigen Dummy auch eine Installation hinterließ.

Verwandlungsform

Als überraschend vergnüglich erwies sich das sechsstündige Reenactment eines 1990 in New York veranstalteten Kunstsymposiums durch das junge amerikanische Kollektiv "Continuous Project".

Mitglieder des Kollektivs und des Mumok-Teams lasen aus einem Transkript nach den Tonaufnahmen und verwandelten so das intellektuelle Ereignis von einst in eine Aufführung von heute. Verblüffend ist auch, wie nahe sich Performances aus den Sparten bildende Kunst, Theater und Choreografie kommen, wenn sie mit einer Methode – hier der "Rekonstruktion" – zueinander in Beziehung gebracht werden.

Die historische Distanz zu den "Originalen" wirkt entspannend, sodass eindeutige Abgrenzungen zwischen den Sparten fallen. Der slowenische Theatermacher Emil Hrvatin hat eine ikonische Produktion der legendären Gruppe Pupilija Ferkeverk aus dem Jahr 1969 reaktiviert. Frans Poelstra und Robert Steijn rekonstruierten sich selbst unter den Vorzeichen von Trisha Brown, Martha Graham und Dan Graham. Und die Choreografin Jennifer Lacey übertrug ein Stück der postmodernen Tanzlegende Brown äußerst entspannend auf ihr Publikum.

Den zweiten Teil dieses Beinahe-Festivals steht ganz im Zeichen der großen Tänzerin und Filmemacherin Yvonne Rainer. Nach 30 Jahren wird diese Legende des Judson Dance Theatre in der Wiederbelebung ihrer Arbeit Continuous Project – Altered Daily (1970) erstmals wieder auf der Bühne stehen. Und das gemeinsam mit Künstlern wie Xavier Le Roy, Fritz Ostermayer und Alain Buffard.

Zum Abschluss zeigt Rainer eine ganz neue Choreografie, AG indexical, with a little help from H.M. , eine ironische Würdigung der Ballettautorität des großen George Balanchine. (Helmut Ploebst/ DER STANDARD, Printausgabe, 18./19.11.2006)