Kronos Quartet

Foto: Kronos Quartet
Wien – Wenn ein Paradiesvogel Programm macht, kann das bunt werden: Ebenso bunt wie Peter Sellars’ Regie zu A Flowering Tree hoben die Konzerte seines Festivals "New Crowned Hope" an, im Katalog von Bildern bunter Vögel geziert. Internationalität ist beim Netzwerker Sellars denn auch so etwas wie oberstes Prinzip, weltumspannende Menschheitsliebe die Botschaft dahinter: Alle werden doch jetzt bitte endlich Brüder!, oder besser – Geschwister.

Bei den ersten beiden Konzerten mit dem Kronos Quartet im Jugendstiltheater schienen die exotischen Namen oder die Fokussierung auf drei komponierende Frauen mehr ein Ausdruck solch löblicher Humanität zu sein als tatsächlich auch eine künstlerische Handschrift zu tragen. Denn letzterer Programmteil wirkte durch auseinander driftende ästhetische Ausrichtung und Qualität denkbar beliebig:

Neben den spätromantisch-illustrativ ein Holocaust-Schicksal schildernden Night Songs der Amerikanerin Alexandra du Bois stand ein ungelenkes Klavierquintett von und mit der Aserbaidschanerin Franghiz Ali-Zadeh, das leider mit jenen innerhalb des Flügels leicht zu bewerkstelligen Tricks nicht besser als eine improvisatorische Beschäftigungstherapie klang.

Tanya Tagaq frappierte zwar mit dem Kehlgesang der Inuit, doch hätte man sie lieber solo gehört. Mit den vier Streichern reichte es gerade einmal zu viermaligen paarweisen Steigerungen einschließlich orgiastischem Höhepunkt, so dass man sich hier im Supermarkt des Ethno-Pop wähnen konnte, in dem man nach Belieben wählen kann.

Eigentümlich berührend dann aber Der Abschied von Wladimir Martynow, der spannungsreiche Harmonik mit tonalen Erinnerungen in der Schwebe hielt und mit Mahler-Reminiszenzen verknüpfte; auffällig aber hier der karge Klang, den Kronos gerade in den aufblühenden Passagen bot und das geringe Verständnis für das Zitierte.

Überhaupt schien das Spiel insgesamt, sobald die Verstärkung etwas zurückgefahren war, recht mittelmäßig, so etwa auch im ersten Konzert bei Strawinskys Zirkuspolka, wo kein Interpretationsansatz hörbar wurde. Ebenso brav erklangen die mäßig interessanten Arrangements eigener und fremder (Film-)Musik von Osvaldo Golijov, darunter Kitsch wie Darkness 9/11 oder das neobarocke Tenebrae.

Hier kam doch professionelles Handwerk des Argentiniers mit ostjüdischen Wurzeln durch, der bei George Crumb studiert hat und bei der DG unter Vertrag steht. In einem ausladenden Klarinettenquintett ( The Dreams and Prayers of Isaac the Blind ) mit dem brillanten Chen Halevi beschwor Golijov dann unter anderem, aber auch vor allem anderen, ausgiebig Klezmer-Klischees. Enormer Aufwand konnte auch nicht wettmachen, dass man Derartiges in einem Krakauer Hinterzimmer oder, wenn man Glück hat, sogar in einem Wiener Jazzlokal authentischer, spontaner, besser hören kann. (Daniel Ender/ DER STANDARD, Printausgabe, 18./19.11.2006)