ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel (links seine Pressesprecherin Heidi Glück) informiert die Presse nach dem Parteivorstand.

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Die Bedingungen der ÖVP im Detail

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Ring frei fürs nächste Koalitions-Patt: Die ÖVP „modifiziert“ ihre Haltung und will an den Verhandlungstisch zurückkehren – aber nur unter ihren Bedingungen. Dazu gehört eine gemeinsame Absichtserklärung. Die SPÖ reagiert ablehnend.

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Diesmal trat ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel nach dem Parteivorstand alleine vor die Presse, ohne den üblichen Flankenschutz durch seine Landeshauptleute und Minister. Er strotzte vor Selbstbewusstsein – ganz so, als wäre er der Verhandlungsführer, und nicht der zukünftige Juniorpartner einer Großen Koalition.

„Die Volkspartei ist bereit, Brücken zu bauen und in inhaltliche Verhandlungen einzutreten“, verkündete er den nach seinen Angaben einstimmigen Beschluss im höchsten Parteigremium. Die Burgenländer enthielten sich allerdings. Das war aber nur der erste Teil der schwarzen Botschaft an die SPÖ an diesem großkoaIitionären Lostag.

Was folgte, war eine Liste an Bedingungen für die Wiederaufnahme der Koalitionsverhandlungen. Bereits Freitagnachmittag gibt es im Parlament ein Treffen zwischen Schüssel und SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer (beide hatten sich auch schon am Mittwoch zu einem Gespräch getroffen). Als Ergebnis dieses Tete-à-Tete wünscht sich Schüssel eine gemeinsame Erklärung – also eine Art Koalitionsversprechen.

Auf jeden Fall soll in dieser Erklärung festgehalten werden, dass sich die SPÖ zur Luftraumüberwachung bekennt und die Paktreue der Republik respektiert (übersetzt: dem Eurofighterkauf zustimmt). Ebenfalls festgehalten werden soll, dass im Bankenausschuss das Bankengeheimnis gewahrt, der Prüfauftrag präzisiert und die Parlamentarier rasch, nämlich bis Jahresende, fertig werden.

Nichtangriffspakt

Außerdem will Schüssel, dass für die Dauer der Verhandlungen SPÖ und ÖVP „einander nicht überstimmen“ – sprich: im Parlament, aber auch in den Untersuchungsausschüssen muss großkoalitionär vorgegangen werden.

Nur nebenbei vermerkte Schüssel, dass er sowohl Bundespräsident Heinz Fischer wie Gusenbauer von seinen Bedingungen bereits informiert habe und ein Bote mit einem inhaltlichen Grundsatzpapier der ÖVP an die SPÖ unterwegs sei.

Darin enthalten: die altbekannten Positionen der ÖVP von Schulpolitik (keine Gesamtschule) bis Pensionen (keine Rücknahme der letzten Reformen). Sie sollen Basis einer nächsten, großen Verhandlungsrunde sein, die, wenn es nach der ÖVP geht, bereits nächste Woche stattfinden soll. Eines stellte Schüssel deutlich klar: „Das ist ein endgültiges Angebot.“

Die SPÖ nahm dieses mit eher gemischten Gefühlen auf. Nach außen zeigten sich die Spitzenfunktionäre, allen voran SPÖ-Parteichef Alfred Gusenbauer, geradezu begeistert über die Rückkehr der ÖVP an den Verhandlungstisch. Er begrüße den Beschluss sehr, entspreche er doch dem Auftrag des Bundespräsidenten ebenso wie seinen eigenen Intentionen, sagte Gusenbauer.

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos schätzte im STANDARD-Gespräch die Lage differenzierter ein. Auch er sei froh, dass sich die ÖVP bewegt habe, allerdings „hätte man sich ein paar Wochen Stillstand ersparen können“.

Die Bedingungen der ÖVP seien jedoch zurückzuweisen: „Wir sind ohne Bedingungen an den Verhandlungstisch gegangen, den die ÖVP verlassen hat, um nun mit Bedigungen zurückzukehren.“ Vor allem Schüssels Forderung, die ÖVP dürfe nicht überstimmt werden, weist Darabos zurück: „Das hieße, dass wir in den U-Ausschüssen ein Veto-Recht der ÖVP akzeptieren, die ihrerseits widerspruchslos jede Ladung, jeden Zeugen ablehnen kann. Das ist für die SPÖ undenkbar.“

Schließlich habe man die U-Ausschüsse nicht „aus Jux und Tollerei“ eingesetzt, sondern um Transparenz zu schaffen – etwa bei der Beschaffung der Eurofighter. Auch hier kann sich Darabos nicht vorstellen, auf die Forderung der VP einzugehen: „Die SPÖ war immer vertragstreu. Aber das heißt nicht, dass wir einen Persilschein für den Erwerb der Eurofighter unterschreiben.“ Dass die SPÖ verhandlungsbereit sei, unterstreicht auch Darabos. Er frage sich aber, „ob es von der ÖVP klug ist, Bedingungen zu stellen, die eigentlich höchst sensible Kernpunkte der Verhandlungen sind. Die kann man ja nicht von vornherein außer Obligo stellen.“

Schüssel rechtfertigte die gar nicht so neue Verhandlungslinie seiner Partei so: All das sei keine „Selbstverleugnung“ der eigenen Positionen, sondern eine „Modifikation“ im Sinne des Staatsganzen.

Erinnerungen an 2003

Sie war wesentlich auf Druck des Wirtschafts- und Bauernbundes zustande gekommen. Am Dienstag hatte Schüssel seine Minister eingeschworen. Einer der dort Anwesenden bringt das damals in Grundzügen bereits abgestimmte ÖVP-Angebot auf den Punkt: „Wir sind bereit, in Verhandlungen zu gehen. Aber wir werden es der SPÖ so schwer wie möglich machen.“ Bei SPÖ-Bundesgeschäftführer Darabos weckt das alles jedenfalls schlechte Erinnerungen: „Bei den Koalitionsgesprächen 2003 hat Schüssel wörtlich gesagt, die ÖVP werde niemals Bedingungen in Verhandlungen akzeptieren. Jetzt stellt er sie selber.“ (Samo Kobenter und Barbara Tóth, DER STANDARD, Printausgabe 17.11.2006)