Kurt Hoffmann (57) Pflegeleiter im Geriatriezentrum am Wienerwald

Foto: Standard/ Newald
Im Pavillon 14 des Geriatriezentrums am Wienerwald (GZW) ist die Abteilung für psychosoziale Rehabilitation untergebracht. Im Gebäude des ehemaligen Wohnheims des Pflegeheims Lainz.

Baulich unterscheidet es sich von den anderen Pavillons dadurch, dass es ausschließlich Zweibettzimmer enthält. Und strukturell durch die Tatsache, dass hier immer schon Menschen untergebracht waren, die im Grunde genommen nicht in ein Pflegeheim gehören, da sie keiner akut-medizinischen oder -psychiatrischen Betreuung bedürfen. Sie sind aus sozialen und finanziellen Gründen an das Heim gebunden. Staatenlose, Obdachlose, Patienten mit Sucht- oder Schuldenproblematik, und solche mit länger zurückliegenden Traumata. "Sie alle verbindet, dass sie nicht wissen, wo sie in Zukunft leben werden. Das bedeutet eine unheimliche psychische und physische Stresssituation, aus der heraus viele psychosomatische Krankheitsbilder entwickeln", erklärt Kurt Kaufmann.

Als Pflegeleiter bildet er, gemeinsam mit der psychologischen Leitung, die duale Führung der Abteilung. 34 Pflegepersonen umfasst das Personal. Medizinische Versorgung wird nur in einem hausärztlichen Maß angeboten. Der Pflegebedarf ist gering, der Betreuungsbedarf dafür umso höher. "Hier geht es weniger um die klassische, manuelle Pflege als um Motivation. Es geht darum, eine tragfähige Beziehung anzubieten, die Patienten ernst zu nehmen."

Kaufmanns Abteilung ist die einzige im GZW, die einen Entlassungsauftrag hat. Im Vordergrund steht es, für die Patienten geeignete, betreute Wohnformen außerhalb des Pflegeheims zu finden. Aber auch die verbleibenden sozialen Ressourcen im Umfeld des Patienten zu mobilisieren. "Wir versuchen, staatliche und private Ressourcen so zu verweben, dass ein tragfähiges Betreuungsgerüst entsteht." Die psychologische Unterstützung der Patienten besteht in erster Linie in verhaltenstherapeutischen Ansätzen. Ihre Selbstständigkeit soll weit genug gefördert werden, um die Kriterien der zukünftigen Wohnsituation zu erfüllen. Nicht therapierbare Grundproblematiken, wie etwa Alkoholkrankheit bei älteren Menschen, werden in das Betreuungssystem integriert.

Künftig soll diese Abteilung im Krankenanstaltenverbund als Drehscheibe fungieren. "Wir sollen entlassungsfähige Menschen aus den Geriatriezentren in ganz Wien übernehmen und hier abklären, welcher Betreuungsbedarf besteht und in welche Institutionen sie entlassen werden können." Der volkswirtschaftliche Aspekt ist grundlegend. Ein Pflegeheimplatz kostet pro Tag 80 bis 90 Euro. "Wir müssen eine Pflegelandschaft entwickeln, die dieser Zielgruppe langfristig gerecht werden kann." Die Grauzone zwischen vollstationärer und extramuraler Pflege, in welcher seine Patienten derzeit angesiedelt sind, sei problematisch, meint Kaufmann. Und schwierig aufzulösen, da sie ein gesellschaftliches Dilemma widerspiegelt.

"Wir leben in einer Gesellschaft des totalen Freiheits- und Sicherheitswahns. Beides zu erfüllen, ist ein Ding der Unmöglichkeit." (Franziska Dorau, Der Standard, Printausgabe, 11./12.11.2006)