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Als Präsident der indischen Internet Service Provider Association (ISPAI) repräsentierte Sanjay Dwivedi bis Oktober dieses Jahres die Internet- und Breitbandindustrie des bevölkerungsreichsten Staates nach der Volksrepublik China. Im Exklusiv-Interview mit pressetext kritisiert Dwivedi die fehlende Entwicklung von digitalen Inhalten und Services sowie die mangelnde technologische Innovationskraft von europäischen Staaten. Das beginnende digitale Zeitalter sieht der frühere ISPAI-Präsident und CEO des führenden indischen Breitband-Providers Spectranet als große wirtschaftliche und intellektuelle Chance für Indien.

Frage: Sie haben einmal gesagt, Ihr Traum ist es, aus Indien eine Wissensgesellschaft zu machen. Welche Bedeutung kommt dem Internet in diesem Transformationsprozess zu?

Dwivedi: Sobald man einmal eine E-Mail geschrieben hat, weiß man, dass das eigene Leben damit verändert wurde. In den vergangenen fünf Jahren ist das Internet für viele Menschen in Indien zu einem fixen Bestandteil des täglichen Lebens geworden. Wenn nun über diese Kommunikationsmöglichkeiten das Wissen eines derart großen Landes zusammenkommt, schafft dies die Grundlage für Wachstum und eine florierende Gesellschaft. Bevor die Reise losgeht, müssen allerdings noch eine Menge Straßen geschaffen werden.

Frage: Was ist beim Ausbau der Netzinfrastruktur zu beachten?

Dwivedi: Indiens Situation ist insofern einzigartig, da das Land über ein gut ausgebautes Kabel-TV-Netz verfügt, das zukünftig für Breitband-Dienste genutzt werden kann. Zudem muss man gerade in einem Land mit begrenzten finanziellen Ressourcen abwägen, wofür das Netz gebraucht wird. Wenn im ländlichen Raum vorrangig elementare VoIP- und E-Maildienste genutzt werden wollen, macht es keinen Sinn ein Highspeed-Glasfaser-Netz aufzuziehen. Dann muss bestehende Infrastruktur optimal ausgenutzt werden.

Frage: Wie bewerten Sie den indischen Markt im Vergleich zum Rest der Welt?

Dwivedi: Hierbei sind zwei Dinge zu beachten. Leute in Indien erwarten sich mittlerweile die gleiche Qualität, die Service Provider in Europa oder den USA anbieten. Dennoch sind sie nur bereit, etwa ein Viertel der hier üblichen Preise zu bezahlen. Wenn man also ein Unternehmen gründen will, muss man sich im Klaren sein, dass für einen wirtschaftlichen Erfolg nicht tausende oder hunderttausende Kunden nötig sind, sondern Millionen. Das ist eine riesige Herausforderung.

Frage: Angesichts des verstärkten Ausbaus der Breitband-Infrastruktur werden Internetbetreiber zunehmend wegen dem fehlenden Angebot von hochwertigen digitalen Inhalten und Services kritisiert. Wie beurteilen Sie diese Diskussion?

Dwivedi: Ich bin fest davon überzeugt, dass Content der Schlüssel zum Erfolg ist. Porno allein - das kann es ja nun wirklich nicht sein. Sobald die Leute sich noch mehr an den digitalen Lifestyle gewöhnt haben und dieser ihr Denken und ihre Entscheidungen stärker beeinflusst, wird auch der Ruf nach besseren Inhalten und Dienstleistungen im Netz lauter werden. Dienste wie YouTube sind ein gutes Beispiel dafür, wie das Internet mit lokalen Inhalten zum Leben erweckt werden kann.

Frage: Welche Rolle spielen die Internet Service Provider bei der Sicherstellung von hochwertigem digitalem Content?

Dwivedi: Kleinere und mittlere Unternehmen gelten seit jeher als Brutstätte für Innovationen. Es ist ja kein Zufall, dass die zwei bedeutendsten Unternehmen Google und Microsoft durch die Innovationskraft von einigen College-Kids entstanden sind. Internet Service Provider sollten sich diesen Möglichkeiten bewusst sein und ihre Chancen nutzen, wenngleich diese in wissensorientierten und innovationsfreundlichen Ländern wie den USA natürlich größer sind.

Frage: Warum hinkt Europa den USA in punkto technologischer Fortschritt und dessen kommerzieller Verwertbarkeit immer ein Stück weit hinterher?

Dwivedi: In Europa fehlt die Vision. Man muss sich dafür entscheiden, zum Mond zu fliegen. Anstelle dessen sind wir hier in Europa mit Überregulierung und viel zu vielen Gesetzen konfrontiert.

Frage: Und wer sollte diese Entscheidung treffen, zum Mond zu fliegen?

Dwivedi: Die Politiker der Europäischen Union werden es sicher nicht tun. Das Parlament ist voll von Karriere-Politikern, die komfortabel Business Class fliegen und sehr weit weg von der realen Welt ihrer Wähler sind. Das ist vielleicht eine harte Feststellung, aber man muss sich wirklich fragen, warum man so viel Geld für etwas ausgibt, das einen derart geringen Output bringt. Auch bleibe ich dabei: Ein Land muss sich entscheiden, ob es eine wissensbasierte Gesellschaft sein will, oder nicht.(pte)