Sehr percussiver Zugang zum Klavier - Irene Schweizer gastiert am Samstag in Wels

Foto: Music Unlimited
Wels - "Mein Background ist nun einmal der Jazz. Deshalb wähle ich immer Schlagzeuger als Partner, die nicht nur frei, sondern auch 'in time' spielen können." So simpel diese Aussage anmuten mag, so ungewöhnlich ist sie für eine Exponentin der frei improvisierten Musik Europas, die bekanntlich in den 1960ern nicht nur mit den Konventionen des Jazz, sondern vielfach auch des US-Free-Jazz gebrochen hat, um eigene Wege zu suchen.

Und so signifikant ist die Aussage für das Selbstverständnis Irène Schweizers, der Grand Dame des europäischen Jazzpianos, die anlässlich ihres 65. Geburtstags in ihrer helvetischen Heimat in Gestalt des informativen, wenn auch recht konventionell gestrickten Filmporträts von Gitta Gsell sogar zu Kino-Ehren kam.

Dass Schweizer eine besondere Affinität für Schlagzeuger hegt, ist anhand der einschlägigen, fünfteiligen Duo-CD-Serie von Intakt Records mit Trommler-Granden zwischen Han Bennink und Andrew Cyrille dokumentiert. Folge sechs könnte Dialoge mit dem Chicagoer Hamid Drake enthalten, mit dem Schweizer dem diesjährigen Welser "Music Unlimited"-Festival wohl einen musikalischen Höhepunkt beschweren wird.

"Ich selbst spiele ja auch Schlagzeug, ich habe schon in den 1950ern in einer Dixieland-Band getrommelt", erklärt sie selbst diese instrumentale Präferenz. "Mein Zugang zum Klavier ist davon sicherlich stark geprägt: Man sagt ja, dass ich sehr perkussiv spiele." Selbiges ist in Irène Schweizers Musik, aktuell nachzuhören anhand der ausgezeichneten Intakt-Records-CDs Portrait und First Choice -Piano Solo KKL Luzern, in Gestalt von rhythmischem Drive und einer starken narrativen Qualität präsent.

Wie auch anderes: Da hört man die sperrigen Dissonanzen Thelonious Monks, den souljazzigen Township-Jazz Abdullah Ibrahims, Cluster-Attacken à la Cecil Taylor wie auch Erinnerungen an Blues und sogar Ragtime: Schweizer macht Musik von sinnlicher Plastizität, Musik, die konkrete Bilder, Assoziationen nicht negiert, sondern entspannt zulässt, und die sie virtuos und spontan - "bei mir gibt es keine geschriebene Note!" - in ihre musikalische Sprache übersetzt.

"Früher, in den 60er- und 70er-Jahren, war es in der frei improvisierten Musik nahezu verboten, einen Dreiklang oder Harmonien zu spielen", resümiert Schweizer ihre Entwicklung. "Ich habe mich nie ganz daran gehalten, ich war beeinflusst von so vielen Pianisten und ich wollte das auch zeigen. Seit etwa 15 Jahren erlaube ich mir auch, Stücke von Mal Waldron oder Monk aufzugreifen, wenn ich Lust dazu verspüre. Da habe ich jetzt keine Hemmungen mehr."

Wobei für Irène Schweizer, bekennende Homosexuelle und seit 1986 Teil des legendären Trios Les Diaboliques mit Maggie Nicols (Stimme) und Joëlle Leandre (Bass), wohl auch die Entdeckung einer spezifisch weiblichen Qualität in Sachen Improvisation eine Rolle gespielt hat:

"Uns ging es nicht um Technik oder Leistung, wir haben uns einfach amüsiert, und wir haben auch szenische, sehr theatralische Momente zugelassen. Das war ein ganz anderes Musizieren als mit Männern, es war viel lockerer, wir konnten lachen. In den Männerbands war es immer tierisch ernst." (Andreas Felber/ DER STANDARD, Printausgabe, 11.12.11.2006)