Gusenbauer: "Die Lage ist ganz sicher besser als vorher."

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Schüssel: Das Gespräch sei "gut" gewesen - an Kritik an der SPÖ sparte er jedoch nicht.

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Die Entscheidung über eine Fortsetzung oder den endgültigen Abbruch der Koalitionsverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP wurde am Freitag neuerlich vertagt. Das ist das Ergebnis eines Vieraugengesprächs zwischen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer Freitagnachmittag im Parlament. Welche von zwei diskutierten Varianten – rasche Koalitionsverhandlungen vor Beginn der Zeugenbefragungen oder Gespräche erst nach Abschluss der Untersuchungsausschüsse – gewählt wird, soll laut Gusenbauer bis Mitte nächster Woche geklärt werden. Schüssel beharrt aber darauf, erst zu verhandeln, wenn die Ausschüsse abgeschlossen sind.

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Wien - Zehn Minuten kam SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer zu spät – und entschuldigte sich mit einer Umleitung vor der ÖVP-Zentrale. Nach zweieinhalb Stunden war das Gespräch mit ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel im Kanzlerzimmer des Parlaments beendet. Ergebnis: Keines. Die beiden Parteichefs haben sich eine neue Frist gesetzt. „Bis Mittwoch“ (Gusenbauer) oder „ungefähr Mitte der Woche“ (Schüssel) werden sie darüber nachdenken, ob sie doch miteinander können, ob sie überhaupt in Koalitionsverhandlungen eintreten.

Gusenbauer kam mit einem konkreten Vorschlag zu Schüssel, er hatte einen Fahrplan ausgearbeitet – einen Fahrplan für die Haupt- und Untergruppen sowie eine Aufstellung von Themen, wechselseitigen Positionen und außer Streit stehenden Punkten. Bis fünften Dezember, so Gusenbauer, könnte die Regierung stehen – immerhin habe ja auch Schüssel stets behauptet, man könnte innerhalb von drei Wochen eine Regierung ausverhandelt haben.

"Keine Tribunale"

Und weil „die U-Ausschüsse im Gegensatz zu den Befürchtungen der ÖVP keine Tribunale“ geworden seien, könnte man bis zur Einvernahme der ersten Zeugen Anfang Dezember leicht die Koalitionsverhandlungen abschließen, meinte Gusenbauer. Bis dahin werden in den U-Ausschüssen vor allem Akten beigebracht und bearbeitet. Der SP-Chef sprach von einem Klima „großer Sachlichkeit“, in dem das Gespräch stattgefunden habe: „Wenn bei der ÖVP der politische Wille besteht, ist in den nächsten drei Wochen eine Regierung möglich.“

Schüssel betonte, die ÖVP habe stets „auf die Zukunft gewandt“ verhandeln wollen. Die SPÖ habe sich dagegen für die „Vergangenheitsbewältigung entschieden“. Die Untersuchungsausschüsse seien Ausdruck dieser Haltung. Diese müsse man „zügig und mit großer Behutsamkeit“ hinter sich bringen – parallel dazu gebe es, gemäß dem ÖVP-Vorstandsbeschluss, keine Koalitionsverhandlungen. Den Vorschlag Gusenbauers, zuerst zu verhandeln und danach die Ausschussarbeit zu beginnen, quittierte Schüssel mit der Bemerkung: „Wenn das so einfach wäre, verstehe ich nicht, wieso man nicht überhaupt gewartet hat, bevor man die Ausschüsse einsetzte.“

"Nachjustieren"

Sowohl der Banken- als auch der Eurofighter-Ausschuss sollten „nachjustiert“ werden, schlug Schüssel vor. Es gehe nicht an, dass „der gesamte Wirtschaftsstandort an den Pranger gestellt wird“, sagte Schüssel, hier solle man sich „auf das konzentrieren, was es tatsächlich aufzuklären gibt“. Zum Thema Eurofighter meinte der ÖVP-Chef, auch hier müsse konkretisiert werden, „dass ein neutrales Land eine ausreichende Luftraumüberwachung braucht“. Das könne etwa durch eine Expertise des VfGH festgestellt werden. All das will Schüssel noch vor Weihnachten erledigt haben, sagte er und verwies auf den „Bank Burgenland“-U-Ausschuss, der 54 Zeugen in fünf Wochen befragt hatte.

Auch der Kanzler sprach von einem „sachlichen, sehr ausführlichen Gespräch“ mit Gusenbauer und attestierte dem SPÖ-Chef, dieser habe „den Bankenausschuss so sicher nicht gewollt“. Welche der beiden Varianten – rasche Koalitionsverhandlungen vor Beginn der Zeugenbefragungen oder Gespräche erst nach Abschluss der Ausschüsse – gewählt wird, soll nächste Woche geklärt werden. Bis dahin soll es nur noch vertrauliche Gespräche geben. Bei dem Gespräch mit Schüssel sei es vor allem darum gegangen, „wie wir die Verhandlungen zur Bildung einer stabilen österreichischen Bundesregierung wieder flott machen können“. „Inhaltliche Fragen wurden nur kursorisch diskutiert.“ Aber: „Die Lage ist ganz sicher besser als vorher.“ (Samo Kobenter und Petra Stuiber, DER STANDARD, Printausgabe 11./12.11.2006)