152 Meter in der Senkrechten, zehn Meter in der Waagrechten: Andy Holzer ist keine Luft zu dünn, besonders wenn es darum geht, Blinde zu Höchstleistungen zu ermutigen

Foto: Newald
Wien – „Ein bissl mehr Windbewegung, etwas kühler – eine andere Vegetationszone“, stellt der Extremkletterer Andy Holzer auf etwa halber Höhe beim Erklimmen der „Südostkante“ des Donauturms fest. Auch wenn der erfahrene Bergsteiger, der von Geburt an blind ist, nicht sehen kann, in welch Schwindel erregender Höhe er sich bereits befindet, so kann er es doch genau spüren.

Gekonnt tastet sich der 40-Jährige Griff für Griff die glatte Betonwand hinauf. 90 Minuten und 152 senkrechte Höhenmeter später erreicht Andy Holzer die erste Aussichtsterrasse und hantelt sich zehn Meter in der Waagrechten zum Geländer: Die Erstbesteigung des insgesamt 252 Meter hohen Donauturms ist vollbracht.

Sonst lieber in den Bergen

„Steil war’s!“, lautet Holzers erster Kommentar. „Das ist eine ganz neue Dimension für mich.“ Denn Holzers Welt sind die Berge und nicht künstliche Kletterwände. Der hauptberufliche Masseur und Musiker hat bereits die höchsten Berge Afrikas (Kilimandscharo, 5895 Meter) und Europas (Elbrus, 5642 Meter) bezwungen, als nächstes steht jener Amerikas (Aconcagua, 6962 Meter) auf dem Programm.

„Wenn er ein paar Tage keinen Fels in die Hand kriegt, wird er krank“, weiß Holzers Frau Sabine. Am Mittwochnachmittag hat Holzer seine Klettersucht für ein Frühförderungszentrum für blinde und sehbehinderte Kinder ausgelebt. Dieses wird mit Hilfe von „Licht ins Dunkel“ in Tirol errichtet. „Damit die Kinder so eine Chance bekommen wie ich.“

Der Osttiroler ließ schon als Kind keinen Berg aus. „Wenn ich einen Fels berührt habe, habe ich die Welt begriffen“, erzählt der wendige Mann. Mit Kletteraktionen mit blinden Kindern und Jugendlichen, wie zuletzt in den Lienzer Dolomiten, möchte Holzer Blinde ermutigen, sich auch in luftigere Höhen zu wagen. (kri, DER STANDARD Printausgabe, 10.11.2006)