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38 Millionen Dollar für eine "Straßenszene": Auktionator Christopher Burge (re.) in Aktion

Foto: REUTERS/Mike Segar
Als klassischen Schnürlregen würde man in Österreich jenen hartnäckigen Nieselniederschlag bezeichnen, der am 8. November Spätnachmittags einsetzte. Gegen 18.00 Uhr New Yorker Ortszeit standen Celebrities, Galeristen, Kunstpromis und -groupies jedenfalls vor dem Rockefeller Plaza Schlange. Hatte man aber kein Ticket oder war man keiner der angemeldeten Bieter, dann blieb die Anwesenheit bei der als Jahrhundertauktion vermarkteten Sales bei Christie's Wunschdenken.

Der 750 Besucher fassende Hauptsaal ist zum Bersten voll, die Medienvertreter weiß das Auktionshaus zumindest teilweise hinter Kordeln zu bändigen. Um 18.37 Uhr Ortszeit eröffnet Auktionator Christopher Burge mit einer Kurzfassung der Auktionsbedingungen die Sitzung. In dieser Phase werden auch aktuelle Änderungen verlesen, wenn etwa eines der hochrangigen Exponate kurzfristig vom Verkauf zurückgezogen wurde.

Trouble mit Picasso

Das "Withdrawn"-Los dieses Abends zog Pablo Picassos auf 40 bis 60 Millionen Dollar taxiertes "Porträt Angel Fernández de Soto". Obwohl das aus der blauen Periode stammende Bild mehr als 60 Jahre Ausstellungsgeschichte auf dem Buckel hat, 1995 von Andrew Lloyd Webber bei Sotheby's für 26 Millionen Dollar ersteigert wurde und Christie's diesen prominenten Zugang bereits Ende Juni verlautbart hatte. Trotzdem war das Berliner Moses-Mendelssohn-Institut mit seinen Ansprüchen erst vergangene Woche an die Öffentlichkeit gegangen. Das New Yorker Bezirksgericht gab dem Ansuchen auf Restitution nicht statt. Jetzt droht man mit der nächsten Instanz. Nach intensiver Beratung mit Andrew Lloyd Webber zog Christie's Lot 47 vorerst zurück. Webber erwägt rechtliche Schritte.

Mit Auguste Rodins "Andromède" beginnt die Auktion, die Marmorskulptur wird einem Saalbieter bei netto 2,7 Millionen Dollar zugeschlagen. Zwei Arbeiten auf Papier von Piet Mondrian bringen mit neuen Rekordzuschlägen Schwung in den Ablauf, es folgt die wohl teuerste Tomatenanzucht der Welt (Pablo Picasso, "Plant des tomates", 13,45 Millionen Dollar) und mit 40,33 Millionen Dollar für Paul Gauguins "L'homme à la hache" ein weiterer Rekord.

Mehr als 50 Telefone sind im Dauereinsatz, Auktionator Christopher Burge ergeht sich in Millionen-Staccatos, im Minutentakt marschieren die Kunstwerke über eine Drehtür in den Saal ein.

Ernst Ludwig Kirchners ebenfalls vor kurzem restituierte "Berliner Straßenszene" steht hier nun in ihrer ganzen Pracht. Auf 18 bis 24 Millionen Dollar belaufen sich die Erwartungen der Experten und der bisherige Weltrekord für ein Kirchner-Werk liegt bei 8.78 Millionen Dollar. Innerhalb weniger Minuten treibt Burg den Preis von 1,2 Millionen auf gigantische 34 Millionen netto, der Zuschlag fällt zugunsten einer Dame, niemandem geringeren als Danielle Luxembourg, die das Bild für Ronald S. Lauders Neue Galerie erwirbt (brutto 38 Mio $ / 29, 76 Mio €).

Klimt, bewacht

Um 20.03 Ortszeit starren die Anwesenden erwartungsvoll – auf eine leere Wand. Aus Sicherheitsgründen sind die nun zum Aufruf gelangenden Gemälde von Gustav Klimt, die ehemals in der Österreichischen Galerie beheimateten Bloch-Bauer-Odien in der bewachten Galerie im Erdgeschoß verblieben.

Der "Birkenwald" von 1903 beginnt bei zwölf und wird innerhalb zwei Minuten bei 40,33 Millionen Dollar (31,51 Mio €) an einen anonymen Telefonbieter zugeschlagen. Bei "Häuser in Unterach am Attersee" kann die elektronische Anzeigentafel nicht mehr mit. "27 Millionen against you Madame? Fine, thanks, 28 Million sold" (brutto 31,37 Mio $ / 24,51 Mio €). Wieder bleibt der Käufer, wie auch bei den "Apfelbäumen" von 1912 (33,05 Mio Dollar) anonym.

Kurz darauf die "Adele II": Die Gebote steigen rasant, zuerst in der Saalhälfte zu Burgs linker, ab 50 Millionen dann zu seiner rechten Seite, die Mitte bleibt zaghaft. Es folgt ein Zweikampf zwischen Jussi Pylkkänen, sonst in London aktiver Auktionator, und einem Mitarbeiter des Impressionist-Departments. Schnell haben die Adele Verehrer die Gebote auf 70 Millionen Dollar getrieben. Nun will jeder der Interessenten so günstig als möglich aussteigen, die weiteren Schritte erfolgen im 500.000-Takt.

Da meldet sich Guy Bennet, Head des Departments Impressionist & Modern Art, mit 74 Millionen zu Wort. Die Stimmung im Publikum ist wahrhaft ausgelassen, als bei 78,5 Millionen Dollar netto die Entscheidung fällt. Der Bennet-Bieter mit der Nummer 7176 bewilligt 87,93 Millionen Dollar (68,7 Mio Euro): Mit brutto 87,93 Millionen Dollar verabschiedet sich "Adele II" wohl endgültig von der Öffentlichkeit. Fazit: 78 Besitzerwechsel hatten sich auf 491 Millionen Dollar summiert, dem höchsten jemals eingespielten Ergebnis einer einzelnen Auktion. (Olga Kronsteiner aus New York /DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10.11.2006)