Wien - Vom verschrieenen Rebellen, dem das Establishment der Musikwelt bestenfalls mit Skepsis begegnete, zum gefeierten Weltstar - die Erfolgsstory des Nikolaus Harnoncourt verlief in den letzten Jahrzehnten derart steil, dass sie von außen betrachtet ihrerseits skeptisch machen könnte. Umso mehr, als sich künstlerische Integrität und Herumgereicht-Werden in der Repräsentationskultur nicht immer vertragen.

Nach zwei Neujahrskonzerten waltete Harnoncourt mit den Wiener Philharmonikern nun im "Konzert für Österreich" ein weiteres Mal in einem Rahmen, in dem sich die Nation selbst feierte, und dies ohne jede Anbiederung - es sei denn, man verstünde schon die programmatische Beschränkung auf Mozart und Beethoven als solche.

Doch auch in diesem Rahmen gelang über weite Strecken jener interpretatorische Idealfall, dessen Möglichkeit die fortgesetzte Beschäftigung mit dem immergleichen Repertoire überhaupt erst rechtfertigen kann: auch dem hundertfach Gehörten etwas Neues abzuringen, das ihm nicht gewaltsam hinzugefügt, sondern aus seinem Innern heraus entwickelt wird. Aus Mozarts g-Moll-Symphonie (KV 550), straff konturiert und stellenweise etwas unelastisch, leuchteten etwa wie gemeißelte Bläser-Stimmen hervor, die der Partitur eine ungeheure Tiefenwirkung verliehen. Oder es zeigte sich eine frappierende Nähe zu Schubert wie bei den insistierenden Motiv-Wiederholungen bei harmonischem Wandel im 2. Satz. Während besonders die Streicher hier anfangs einen uneinheitlichen Eindruck machten, gingen nicht nur sie dann bei Beethovens 7. Symphonie aufs Ganze:

Wie sich hier subtile Klangabstufungen ins architektonische Gefüge schmiegten, war schlichtweg wunderbar, ebenso wie der beredte Tonfall noch im wildesten Kraftakt, wenn das Urwüchsige innerhalb des Artifiziellen hervorgekehrt wurde. Hätte die erstaunliche Allianz zwischen Dirigent und Orchester noch einer Erklärung bedurft, wurde hier ein gemeinsames Streben evident, das viele ästhetische Grabenkämpfe unnötig machen könnte, zumal es weder um akademischen Purismus noch um Wohlklang als Selbstzweck ging, sondern um die gegenseitige Durchdringung von Sinnlichkeit und Sinn. (Daniel Ender / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28./29.10.2006)