Sven Bader (li.) kocht, Felix Strasser serviert, die Kaiserin wacht: "Ein Wiener Salon" ist eine der erfrischendsten Neueröffnungen des Jahres

Foto: Gerhard Wasserbauer

Fotos: Gerhard Wasserbauer

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Auf der Stubenbastei, einer stillen Gasse der Wiener Innenstadt, hat ein Lokal aufgesperrt, das man auch als Passant leicht übersieht. Das wäre schade, gar so dicht sind die Eröffnungen außerordentlicher Restaurants nämlich nicht gesät. "Ein Wiener Salon" hat mit dem monumentalen Umspannwerk an der Ecke zur Liebenberggasse zwar ein extra-trockenes Visavis, im Lokal eröffnet sich dafür ein opulentes Interieur, das von einer spektakulären Tapete in Königsblau und Silber dominiert wird.

Die Tische sind in feinem Tuch eingedeckt, die bequemen, mit Damast und doppeltem Korbgeflecht bespannten Boffi-Stühle ironisieren den ornamentverliebten Geist längst versunkener Zeiten, über allem thronen die (spielerisch verfremdeten) Larger-than-life-Porträts von Kaiserin Maria Theresia und Gemahl, dazwischen wieselt der rundliche Spaniel der Betreiber: Alles hier wirkt wie eine Antithese zum zusehends erschöpften Pseudomodernismus, der die Neueröffnungen zahlloser Restaurants der Hauptstadt in den vergangenen Jahren bestimmt hat. War auch höchste Zeit.

Nicht zufällig ist einer der beiden Betreiber Architekt. Felix Strasser ist 27, Tiroler und hat bei Zaha Hadid sein Studium abgeschlossen. Sein Partner Sven Bader ist 31, Schwabe und hat nach einer Hoteliersausbildung Mode studiert. Beide erfüllten sich mit dem "Salon" einen Traum: zeigen, was geht, und zwar (vorerst?) ohne weiteres Personal: Sven Bader werkt in der offenen Küche, Felix Strasser kümmert sich um die Gäste, das muss reichen.

Was geht, ist schon jetzt richtig beeindruckend: eine kleine, feine Speisekarte etwa, die in verspielter Jugendstil-Typo gesetzt ist und schon beim Lesen Lust auf alles macht, was draufsteht. Einen ebenso persönlichen wie (im besten Sinne) amateurhaften Service, der einen spüren lässt, dass man sich hier fast wie ein privater Gast fühlen darf – mitsamt den Rechten und Pflichten, die das einschließt. Eine wonnevolle Abfolge von Speisen schließlich, die mit Mut und großer Sensibilität zusammengestellt und gewürzt sind, auf hohem Niveau und mit einer ungestümen Energie dargeboten, wie man sie wohl einzig von nicht gelernten Köchen erwarten darf: "Wolfsbarsch & Rüben" etwa ist eine von drei Vorspeisen, fast rohes, köstlich mariniertes Filet mit dünnen Scheiben knackiger Rüben in den Farben Rot, Gelb und Orange, dazu eine subtil abgeschmeckte Kräutersauce – sehr stylish, sehr, sehr gut. Orecchiette mit Kürbis und Vongole ist safrangetränkte Pasta mit reichlich Muscheln und bissfestem Kürbis, kontrastreich, stimmig, richtig köstlich. Die wild herbstliche Topinamburcreme bekommt eine – endlich einmal – kräftig und kurz angebratene Wachtelbrust beigelegt, und die flaumigen, knusprig angebratenen Gnocchi zum Hirschragout gehören schlicht zu den allerbesten von überhaupt, jene italienischer Mammas inklusive. Reservierung scheint unerlässlich! (Severin Corti/Der Standard/Rondo/27/10/2006)