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Chefdesigner Christopher Bailey

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Es gibt jene, die ein Label zuerst einmal umbringen, um es wieder lebendig zu machen. Sie treten die Tradition mit Füßen, beschimpfen die Vorgänger und verscheuchen die wenigen verbliebenen Kunden. Revolutionäre werden sie genannt, und im Modebusiness spricht man gemeinhin mit viel Achtung von ihnen - und mit genauso viel Angst.

Der 35-jährige Christopher Bailey gehört definitiv nicht zu ihnen. Blasser Teint und eine höfliche Strubbelfrisur. Spricht man mit ihm, entschuldigt er sich zuerst einmal, dass man ganze zehn Minuten auf ihn warten musste. Auf andere Designer wartet man schon einmal mehrere Stunden. Doch das wäre nicht Baileys Art. Er ist das Liebkind des Modebusiness. Der nette Junge von nebenan. Einer, bei dem man immer ein bisschen an Malcolm Mittendrin denken muss.

Blödsinn stellt Bailey keinen an. Er ist "einer der zurückhaltenden Art", wie er selbst eingesteht. Was er in den vergangenen Jahren aus Burberry machte, ähnelt trotzdem einer mittleren Revolution. Das Karo-Label wurde zum Couture-Haus. Eines, das genauso traditionsbewusst wie sexy ist. "Bei Gucci verfolgten wir eine sehr aggressive Sexyness, bei Burberry arbeite ich viel diskreter."

Bei Gucci unter Tom Ford ist Christopher Bailey groß geworden. Mit Mode, die den Körper so offensiv ausstellte, dass sich selbst Büropraktikantinnen in Gucci wie auf einem roten Teppich vorkamen. In einem Kleid von Burberry trotzen Frauen dagegen dem schicken, englischen Landleben, sie ziehen sich einen Trench darüber und hängen sich eine der leicht altmodisch angehauchten Burberry It-Bags ums Handgelenk. Und auch wenn sie nicht gerade Kate Moss sind (sie ist seit Jahren das Gesicht von Burberry), wie aus einem der coolen Hochglanzmagazine schauen auch sie aus. "Wir wollen und müssen modisch sein", sagt Christopher Bailey, und aus seinem Mund klingt das, als spräche einer über die Hausarbeiten, die er zu machen hat.

Brit-Style mit neuem Gesicht

"Ich bin ein Angestellter von Burberry", stellt Bailey klar: "Meine Aufgabe ist es, das Haus zufrieden zu stellen." Aus dessen Schatten ist er trotzdem schon lange getreten, das Wirtschaftsmagazin Forbes erklärte ihn zu einem der zehn einflussreichsten Designer der Modeindustrie, das "British Fashion Council" verlieh Bailey 2005 den British Fashion Award. Eine Auszeichnung, für die Baileys wie kein Zweiter prädestiniert war: Traditionellem Brit-Style gab er ein neues Gesicht.

"Bei Burberry vereinen wir einen sehr klassischen, konservativen, auf die Schneiderkunst bedachten Zugang mit einem sehr rebellischen Zug. Britishness ist für mich, wenn diese beiden Welten aufeinander prallen." Wie das aussieht, kann man in diesem Herbst in der Männermode des Prêt-à-Porter Labels Burberry Prorsum beobachten: Schmale Nietengürtel zieren die schmal geschnittenen und stark taillierten Dreiteiler. Dazu Pullis im Psychedelic-Look und Schulbubenkappen.

In Baileys Brust wetteifert der Punk mit dem Gentleman von der Savile Row. "Festlegen will ich mich nicht", sagt er und erzählt dann von all den verschiedenen Phasen, durch die er in seiner Jugend ging, Ska, Mod, Punk und New Romantic. "Ich machte alles mit, wirklich rebellisch war ich aber nie."

Vielleicht hat das auch mit der behüteten Umgebung in Halifax im ländlichen Yorkshire zu tun, der mittelenglischen Stadt, in der Bailey aufwuchs. Der Vater Zimmermann, die Mutter Schaufensterdekorateurin bei Marks & Spencer. "Als Kind liebte ich es zu zeichnen und zu werken, verschiedene Materialien haben mich schon immer interessiert."

"Burberry-Boys

Für Mode interessierte sich in seiner Umgebung niemand, eine Lehrerin entdeckte das Talent des Buben: "Sie sandte Zeichnungen von mir an eine Kunstschule, die mich auch sogleich aufnahm. Irgendwann landete ich dann in der Modeabteilung der Londoner Royal College of Art." Da ging dann alles sehr schnell. Donna Karan holte den erst 23-Jährigen zu sich nach New York, drei Jahre später warb ihn Tom Ford für Gucci ab. 2001 stieg Bailey schließlich bei Burberry ein. Eine Heimkehr?

"Ich sehe mich selbst als internationalen Designer, der britischer Herkunft ist. Man muss im Modebusiness einfach international denken, ansonsten würde das den Erfolg beschränken." Schon längst macht Burberry nur mehr einen kleinen Teil seines Umsatzes in seinem Heimatmarkt.

Hier hat das Label ganz spezifische Probleme: Die so genannten "Burberry-Boys", Hooligans, die am liebsten Burberry tragen, brachten dem Unternehmen negative Schlagzeilen, ein Problem, das sich laut Bailey mittlerweile aber gelegt habe. "Wir haben natürlich das Image eines Upper-Class-Unternehmens, gleichzeitig sind wir auch ein sehr demokratisches Unternehmen, das mit seinen verschiedenen Linien allen Generationen Angebote macht."

Diesen demokratischen Zug schätzt Bailey an Burberry besonders. Mit seiner Mode will er allen gefallen. Mit Füßen getreten wird bei diesem Designer niemand. Dafür wäre Christopher Bailey auch schlichtweg zu höflich. "Ich lache zu viel", sagt er, wenn man ihn nach seiner dunklen Seite fragt. (Stephan Hilpold/Der Standard/Rondo/27/10/2006)