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Bestsellerautor Ian McEwan gab mit einem Essay im Guardian und einer Favoritenliste den Anstoß für den Wettbewerb der besten Wissenschaftsbücher.

Foto: AP/Adam Butler
Es soll von einer großen Idee handeln, vermitteln, wie Forschung funktioniert, und so gut geschrieben sein wie ein Roman. Das sind die Eigenschaften, die ein gutes wissenschaftliches Sachbuch auszeichnen. Zumindest sind es die Kriterien, auf die sich drei Kenner geeinigt haben, als sie im Londoner Imperial College ihre Favoriten vorstellten. Anschließend wählten ihre Zuhörer per Handzeichen das beste je veröffentlichte populäre Wissenschaftsbuch.

Von Armand Leroi wurden gleich zwei deutschsprachige Titel ins Gespräch gebracht. Der Entwicklungsbiologe warb für Konrad Lorenz' Bestiarium "Er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen" und nominierte Ernst Haeckels "Kunstformen der Natur", einen Bestseller des späten 19. Jahrhunderts. Tom Stoppards "Arkadien", eine Rundreise durch die Geschichte der Mathematik in Form eines Theaterstücks, hat es Sara Abdulla, Sachbuchlektorin bei MacMillan, besonders angetan.

Tim Radford, der Wissenschaftsredakteur des Guardian, schlug zwei autobiografische Werke vor. Er lobte James Watsons "Die Doppelhelix" für die tiefen Einblicke, die der Mitentdecker der DNS- Struktur in den Forschungsalltag gewährte. Radfords zweiter Favorit, "Das periodische System" von Primo Levi, kam beim Publikum am besten an. Darin schildert Levi, der im bürgerlichen Beruf Chemiker war, in 21 nach Elementen benannten Kapiteln Episoden aus seinem Leben: wie er das KZ überlebte, weil er dank seiner naturwissenschaftlichen Ausbildung als Techniker eingesetzt werden konnte, aber auch die Freude, die ihm die Arbeit im Labor bereitete.

"Bitte nehmen Sie nicht zu ernst, welches Buch gewinnt. Auf die Diskussion kommt es an", insistierte Jon Turney. Der Leiter eines Graduiertenlehrgangs für Sachbuchautoren am Imperial College moderierte nicht nur die Debatte, sondern hat sie mit einem eigens eingerichteten Blog seit Monaten angefacht.

Die Idee zum Wettbewerb ist im Frühjahr entstanden. Da veröffentlichte der Schriftsteller Ian McEwan anlässlich des 30. Jahrestags der Erstausgabe von Richard Dawkins "Das egoistische Gen" im Guardian einen Essay über die literarische Tradition im Schreiben über Wissenschaft. Dabei nannte der Bestsellerautor auch seine persönlichen Lieblingstitel. Dieser Liste sah Turney als Ausgangspunkt für eine Debatte und fand einen Sponsor in der Royal Institution. Die kleine Schwester der noch ehrwürdigeren Royal Society ist dem öffentlichen Diskurs über Wissenschaft verpflichtet und gehört auch zu den Initiatoren eines jährlich vergebenenen Preises, den eine Fachjury für das beste Wissenschaftsbuch vergibt.

"So etwas wie ein bestes Buch gibt es nicht"

"So etwas wie ein bestes Buch gibt es nicht, und das weiß die Royal Institution natürlich auch. Aber es ist eine gute Idee, mehr Aufmerksamkeit für diese Gattung der Literatur zu erzeugen", so der derzeit erfolgreichste deutschsprachige Wissenschaftsautor Stefan Klein. "Populäre wissenschaftliche Literatur ist viel mehr als das Aufschreiben und Übersetzen von Forschung in eine dem breiteren Publikum zugängliche Sprache, sondern es geht darum, Forschungsergebnisse, häufig Hypothesen, sogar Spekulationen in einen breiteren Zusammenhang zu stellen."

Dass Wissenschafter selbst populäre Bücher schätzen, um über den Rand des eigenen Fachs zu blicken, zeigen die Favoriten von Anton Zeilinger. Auf Anfrage des Standard nennt der Wiener Quantenphysiker Eric Kandels "Auf der Suche nach dem Gedächtnis", Jared Diamonds "Arm und Reich" und "Die Botanik der Begierde" von Michael Pollan. (Stefan Löffler/DER STANDARD, Printausgabe, 25. Oktober 2006)