Das ehemalige Waisenhaus in der Rua General Severiano im Herzen Rio de Janeiros soll bis 2007 zur "Casa Daros" werden.

Foto: Daros-Latinamerica

Ein Beispiel aus der etwa 1000 Arbeiten von Künstlern aus Südamerika umfassenden Sammlung der Daros-Latinamerica AG: Ernesto Netos Installation von 2006.

Foto: Daros-Latinamerica
Mit dem Umbau eines ehemaligen Waisenhauses im Zentrum von Rio wurde Paulo Mendes da Rocha beauftragt.


Rio de Janeiro - Voraussichtlich Ende 2007 wird in Rio de Janeiro die Casa Daros eröffnet werden - ein Ort für Wechselausstellungen zur zeitgenössischen Kunst Lateinamerikas, ein Zentrum mit umfangreicher Kunstbibliothek zum Thema, mit Künstlerateliers und Gästeappartements - und weit mehr als das. Die Casa Daros wird ein Interface zur Entwicklung und zum aktuellen Stand der Kunst eines Kontinents mit 12.000 Quadratmetern Fläche mitten in Botafogo, im Herzen Rio de Janeiros.

Das Gebäude - ein ehemaliges Waisenhaus - existiert, und Paulo Mendes da Rocha ist dabei, Pläne für die neue Nutzung zu entwickeln. Mendes da Rocha, hochaktiver, mittlerweile 77-jähriger Veteran der "brutalistischen" Avantgardearchitektur der 50er-Jahre in Südamerika, wurde heuer mit dem Pritzger-Preis ausgezeichnet, 2000 erhielt er den Mies-van-der-Rohe-Preis für lateinamerikanische Architektur. Zwei jüngere Projekte Mendes da Rochas verdeutlichen, wohin die Umgestaltung der großzügig angelegten katholischen Erziehungsanstalt führen könnte: Die Renovierung der Pinacoteca do Estad in São Paulo und die Adaption eines Flügels des Bahnhofes von São Paulo zu Ausstellungszwecken (Ein "Museum für Sprachen" wurde dort untergebracht). In beiden Fällen hat Mendes da Rocha die vorhandene Substanz entkernt und vermittels Aufzügen und zusätzlich eingezogenen Ebenen neu erschlossen. Beide zeugen von Respekt gegenüber der vorhandenen Substanz, ohne dabei den zeitgenössischen Anspruch der Einbauten zu vertuschen.

Und: In beiden Fällen funktionieren die "Ergebnisse"als Ausstellungsräume - keine Selbstverständlichkeit in Zeiten großer Gesten, die weit eher darauf angelegt sind, die Trademark des sie setzenden Architekten zu stützen denn funktionale Hüllen für womöglich noch wechselnden Exponatenbesatz zu schaffen. Die Casa Daros wird kein Klon in der beliebten, von Guggenheim eingeläuteten Reihe selbstgefälliger Hüllen werden, die Wahl Mendes da Rochas verspricht, aus dem, auch weil heftig durchfensterten, durchaus schwierigen eingeschoßigen Bau ein variabel bespielbares Multifunktionsgebäude zu generieren. Hinzu kommt, dass die bisherigen Aktivitäten der Daros-Latinamerica-AG (Sitz und Ausstellungshaus in Zürich) zumindest nicht an einen etwaigen künftigen Budgetmangel denken lassen.

Daros-Latinamerica ist die europaweit größte Sammlung zentral- und südamerikanischer Kunst mit im Moment etwa 1000 Arbeiten von rund 100 Künstlern, deren Schaffen sich von den 60er-Jahren bis heute erstreckt. Daros-Latinamerica hat sich zum Ziel gesetzt, die Kunstlandschaft Lateinamerikas zu erschließen und die nach wie vor weite Rezeptionskluft gegenüber europäischer und nordamerikanischer Kunst zu überbrücken. Hans-Michael Herzog, der Direktor von

Daros-Latinamerica, richtet sein Augenmerk darauf, der Sammlung einen in Tiefe und Breite des Bestandes exemplarischen Charakter zu verschaffen. Verfolgt wird ein dezidiert musealer Anspruch: Methodische Erschließung, Bewahrung, Pflege und Erweiterung des Bestandes stehen im Mittelpunkt. So werden systematisch Werke in die Sammlung aufgenommen, die eine besondere Signifikanz im Ruvre des Künstlers, im historischen Kontext oder im Rahmen ihres geografischen Bezugs aufweisen. So erwirbt Daros auch ganze Werkkomplexe und vergibt sie temporär als Leihgaben an Museen. Der Sammlungsbestand umfasst Einzelarbeiten und Werkkomplexe vorwiegend in Form von Papier- und Fotoarbeiten, Videos und Installationen von Künstlern wie Fabian Marcaccio, Santiago Sierra, Vik Muniz, Marta Maria Pérez Bravo, Guillermo Kuitca, Julio Le Parc oder Los Carpinteros.

Seit 2001 bespielt Daros einen Raum im Zürcher Löwenbräu-Areal in dem einzelne Bereiche der auf die Schweizer Unternehmerfamilie Schmidheiny zurückgehenden Sammlungen gezeigt wurden: Etwa The Power of Painting mit Warhol, Polke und Richter, Einzelpräsentationen von Brice Marden oder Louise Bourgeois, zuletzt schwerpunktmäßig "Lateinamerikanisches" mit Cantos/Cuentos Columbianos, Soloprojekten mit Julio Le Parc oder Fabian Maraccio oder zuletzt Sedu-ções mit Installationen von Ernesto Neto, Clido Meireles und Aleska Soares. Markus Mittringer aus Rio de Janeiro/ DER STANDARD, Printausgabe, 25.10.2006)

>>>Sammlungs-AG: Unternehmen Südamerika Sammlungs-AG: Unternehmen Südamerika

Zürich/Rio de Janeiro - Die Daros Services AG fasst als Marke zwei Sammlungen zusammen. Die "Daros Collection" widmet sich der nordamerikanischen und europäischen Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Neben Exponenten des abstrakten Expressionismus, der Pop und Minimal Art sowie der New Yorker Kunstszene der 80er-Jahre sind auch andere Vorläufer der aktuellen Gegenwartskunst vertreten wie beispielsweise Eva Hesse, Bruce Nauman, Joseph Beuys, Gerhard Richter und Sigmar Polke. Seit 2000 beschäftigt sich "Daros-Latinamerica" mit dem Aufbau einer Sammlung zur zeitgenössischen Kunst Lateinamerikas. Systematisch werden Künstler aller Staaten des Kontinents in die Sammlung eingegliedert. Derzeitiger Stand: etwa 1000 Arbeiten von Künstlern aus Brasilien, Mexi- ko, Argentinien, Uruguay, Kolumbien, Kuba, Venezuela, Chile und Guatemala. (mm)