Stockholm/Reykjavík. - Trotz umfangreicher internationaler Proteste jagen die Isländer seit wenigen Tagen wieder Wale. Dies nach ganzen 17 Jahren Enthaltsamkeit. Wie lange jedoch, ist eine andere Frage; schon dominiert die innenpolitisch Debatte über die Richtigkeit dieser Entscheidung die isländische Presse.

Grund dafür sind Hiobsbotschaften aus der Tourismusbranche. Das Unternehmen "Nordursiglingar" zum Beispiel sieht sich bereits mit zahlreichen Stornierungen von gebuchten Islandreisen konfrontiert. Es ist eines der Unternehmen, die sich auf das immer größer werdende Inter-esse von Touristen für Wale spezialisiert haben. Im vorigen Jahr reisten mehr als 30.000 Touristen auf die knapp 300.000 Einwohner zählende Insel Island - meist, um sich Wale auf den so genannten "Whale Watching"-Bootstouren anzusehen.

Regierung besorgt

Auch der für Island wichtige Schweizer Reiseagenturunternehmer René Baldinger von "Reisen AG" schlägt Alarm: "Einige Kunden haben uns schon angedeutet, dass es genügend andere interessante Tourismusziele gebe", teilte er der isländischen Presse mit.

Auch die Regierung in der Hauptstadt Reykjavík zeigt sich besorgt. Umweltministerin Jónína Bjartmar räumte ein, dass die Waljagd tatsächlich "Island als Warenmarke" schaden könne. Sie fügte aber auch hinzu, dass die negative Haltung oft auf "Missverständnissen" beruhe. Schließlich betreibe man nachhaltigen Walfang, auch die Anzahl der Tiere, die getötet werden, sei stark begrenzt. Insgesamt gibt es in den isländischen Gewässern knapp 70.000 Wale, von denen jetzt rund 0,2 Prozent erlegt werden dürfen.

Trotz internationaler Kritik, ist es ein Faktum, dass für die Isländer die Fischindustrie immer noch eine überlebenswichtige Schlüsselbranche ist. Fridrik Arngrímsson, Sprecher der Fischindustrie, sagte, dass sich die Erlegung der Wale in jedem Fall lohnen werde, auch wenn es für Walfleisch derzeit wegen der mangelnden Nachfrage keinen ernst zu nehmenden Markt gibt. Die zahlreichen Wale in isländischen Gewässern würden jährlich so viele Fische verschlingen, dass die Fischindustrie dadurch rund 117 Millionen Euro im Jahr verlieren würde. Das wird sich nun endlich ändern, hoffen die Waljagd-Befürworter in Reykjavík. (DER STANDARD,Print-Ausgabe, 24.10.2006)