Neue Gesichter sind hinter Schüssel nur schwer auszumachen

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Dafür ist Schluss mit dem Wundenlecken in der ÖVP, jetzt ist offenbar die Zeit des "neuen Wundenschlagens".

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Wien – Wenn es nicht volle Absicht war, könnte es Christoph Leitl schon bald ergehen wie dem Zauberlehrling: Die Geister, die er rief, wird er nun nicht mehr los. Nachdem Leitl am Wochenende "neue, sympathische Gesichter" für die ÖVP eingefordert hatte, war am Montag die Reihe an den Landesparteien, das zurückzuweisen: "Die Gesichter-Diskussion ist mir völlig wurscht. Aber es ist bezeichnend, dass gerade Leitl diese Diskussion anreißt", sagte der niederösterreichische VP-Geschäftsführer Gerhard Karner dem Standard.

Der steirische ÖVP-Chef Hermann Schützenhöfer mutmaßte gar im Ö1-"Mittagsjournal", Leitl habe wohl sein eigenes Gesicht gemeint.

Schützenhöfer weiter: Wenn es darum gehe, einen Parteiobmann schlechtzumachen, gehörten "die bündischen Obleute durchaus zur Spitze".

Daraufhin wieder der Konter des Wirtschaftsbundes: Generalsekretär Karl-Heinz Kopf versicherte, Leitl habe nur im Sinne von Parteichef Wolfgang Schüssel agiert, der nach den schweren Wahlverlusten am 1. Oktober ebenfalls von einer "notwendigen personellen Erneuerung" gesprochen habe. Das jedenfalls verlange Besonnenheit und "keine übernervösen Reaktionen".

Auch Leitl wich zurück: "Es gibt sehr viele Sympathieträger" in der ÖVP. Seine Forderung nach neuen, sympathischen Gesichtern sei vielmehr ein Thema für die von Landwirtschaftsminister Josef Pröll geleitete VP-Zukunftskommission. Doch selbst dort sollten in einer Frist von einem halben Jahr zuerst Inhalte und Organisationsfragen und erst "ganz zum Schluss" Personalfragen diskutiert werden, sagte Leitl. Nachsatz: "Dass man dann an einen Generationswechsel denkt, liegt in der Natur der Sache."

Josef Pröll, der Mann, der sofort allen innerhalb und außerhalb der ÖVP einfällt, wenn das Schlagwort "Nachwuchs-Hoffnung" fällt, ist dem Vernehmen nach ziemlich unglücklich mit der derzeit laufenden Diskussion. Er will sich unter keinen Umständen an dieser beteiligen und lässt lediglich allen ausrichten, man solle Schüssel gefälligst arbeiten lassen. Viele sehen freilich genau das als Problem an, nämlich wie Schüssel derzeit arbeitet. Dass in seinem Verhandlungsteam kein einziger städtischer Vertreter ist, ist beispielsweise ein interner Kritikpunkt. So werde man urbane Wählerschichten nicht ansprechen, heißt es.

Eine Tatsache ist auch, dass der einzige ÖVP-Spitzenmann, der konkret Zukunftsfragen stellt, eben Josef Pröll ist. In Pröll sieht der Wirtschaftsbundchef ein "ausgezeichnetes Talent". "Aber Gott sei Dank ist die Basis der ÖVP eine breite." Leitl selbst will übrigens nicht Finanzminister in einer großen Koalition werden, wie dies vor Kurzem kolportiert wurde. "Mit mir hat niemand geredet", sagte Leitl. (von Michael Bachner und Petra Stuiber/DER STANDARD, Printausgabe, 24.10.2006)