Dass die amerikanische Strategie im Irak versagt hat, bestreiten nicht einmal mehr die Republikaner. Man rechnet mit einer Wende nach den November-Wahlen. In welche Richtung sie geht, ist unklar.

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Washington/Bagdad - Unter Druck der Katastrophenmeldungen aus dem Irak stimmt US-Präsident George Bush offensichtlich einer Änderung der Taktik des US-Militärs zu. Allerdings bleibe es bei der übergeordneten Strategie, teilte Bush nach Gesprächen mit hochrangigen Offizieren am Wochenende mit. Das Ziel sei nach wie vor der Sieg. Jedoch habe die massive Präsenz von US-Truppen in Bagdad nicht den gewünschten Erfolg gehabt - das heißt mit anderen Worten, der seit August laufende Plan zur Verbesserung der Sicherheitssitution in Bagdad ist gescheitert.

Die US-Regierung weist jedoch einen Bericht der New York Times zurück, dass der irakischen Regierung nun genaue Vorschriften mit einem genauen Zeitplan vorgelegt würden, etwa für die Auflösung der Milizen, die sie umsetzen müsse.

Die republikanische Senatorin Olympia Snowe sagte der Washington Post, es stehe "wohl außer Frage", dass es nach den Mid-Term-Elections am 7. November eine Änderung in der Strategie geben werde. Snowe gehört dem Geheimdienst-Ausschuss des Senats an. Auch Jeffrey White vom Washington Institute für Nahostpolitik sagte, die jüngsten Treffen deuteten auf eine umfangreiche Überprüfung der Irak-Politik hin. "Für mich sieht es so aus, als würde dieser Supertanker wenden", sagte er. "Es dauert eine lange Zeit, aber ich glaube, die Wende hat begonnen."

Gegenwärtig untersucht zudem eine Gruppe unter der Führung von Ex-Außenminister James Baker Alternativen für den Irak. Der Bericht soll erst nach der Wahl am 7. November vorgelegt werden.

80 tote Amerikaner

Am Wochenende war die Zahl der im Oktober getöteten US-Soldaten auf über 80 gestiegen. Der allgemeine Anstieg der Gewalt während der vergangenen Wochen wird auf etwa 20 Prozent geschätzt. Laut Medienberichten hat Premierminister Nuri al-Maliki das Gesundheitsministerium instruiert, die Opferzahlen nicht mehr an die UNO weiterzuleiten, die die Statistiken führt. Der Chef der UNO in Bagdad, Ashraf Qazi, soll beklagt haben, dass die UNO nicht mehr in der Lage sei, die von der Regierung gelieferten Totenzahlen zu überprüfen.

Auch am Wochenende wurde der Irak wieder von Anschlägen überzogen, etwa in Bagdad, Kirkuk, Mossul und Mahmudiya, dutzende Menschen starben. Zugenommen haben auch die Kämpfe in den Schiitengebieten, fast immer steht dabei die Miliz (Mahdi-Armee) des Schiitenführers Muktada al-Sadr in Konfrontation mit irakischen Sicherheitskräften.

In Amara, südöstlich von Bagdad, hatte Sadrs Miliz am Freitag kurzfristig die Kontolle über die Stadt übernommen. Es ist unklar, ob die Situation wieder revidiert wurde, weil die irakischen Sicherheitskräfte den Milizen überlegen waren oder aber weil die Milizen von Sadr zurückgerufen wurden. Innenminister Jawad al-Bolani suchte Sadr am Samstag in Najaf auf. Die Kontrolle über Amara wurde erst vor wenigen Wochen von der britischen Armee an die irakischen Sicherheitskräfte übertragen.

Eine knappe Personalnotiz des Bollettino della Santa Sede ruft Betroffenheit hervor: Der Vatikan hat laut Kathpress den Erzbischof von Basra, den Iraker Gabriel Kassab, nach Sydney versetzt, wo er eine neue chaldäisch-katholische Eparchie für Ozeanien leiten soll. Über das weitere Schicksal der seit dem frühen 5. Jahrhundert bezeugten Erzdiözese Basra werden keine Angaben gemacht. Viele irakische Christen haben den Irak bereits verlassen. (red/DER STANDARD, Printausgabe, 23.10.2006)