Foto: Verlag Mondadori
"Müssen Sie Ihr Brot wirklich weiterhin bei uns kaufen ?", erkundigte sich der Bäcker letzthin halblaut. "Sie sind hier unerwünscht", raunte ihm der Kellner im Restaurant zu, in dem er soeben Platz genommen hatte. Wenn spät in der Nacht sein Telefon läutet, schweigt der Anrufer am anderen Ende der Leitung.

Jetzt steht Roberto Saviano unter Polizeischutz. Der junge Autor hat die Camorra mit einem Buch provoziert, das in Italien zum Besteller geworden ist. Seinen Band "Gomorra" bezeichnet Saviano als "Reise in das Wirtschaftsimperium und in die Traumfabrik der Camorra."

Es gibt in Italien hunderte Bücher und Abhandlungen über die Mafia. Doch keines ist so zupackend, so einprägsam, so entwaffnend und so brillant geschrieben wie diese eigenwillige Mischung aus Essay, Roman und Reportage.

Der erst 28 Jahre alte Autor leitet seine Leser auf nächtliche Ausflüge in den Containerhafen von Neapel, wo Tonnen illegaler Importe aus China entladen werden, führt sie in die illegalen Werkstätten, in denen Kleider für Prada und Armani genäht werden, und schildert das Innenleben der kriminellen Organisation so bildhaft und detailliert, als gehöre er der Anti-Mafia-Staatsanwaltschaft an.

Doch je mehr seiner Bücher das Berlusconi-eigene Verlagshaus Mondadori verkaufte, desto einsamer wurde es um den Autor. Freunde begannen von ihm abzurücken, Bekannte grüßten ihn nicht mehr, in der Familie kam es zu Spannungen.

Das Buch habe sein Leben zerstört, sagt der Verfasser. "Gleichzeitig erlaubt es mir Privilegien, die andere nicht besitzen."

Roberto Saviano schloss sich schon früh einer Anti-Camorra-Vereinigung an und fiel bald durch seine Artikel in verschiedenen Zeitungen auf. Was die Camorra störte, war nicht nur der Erfolg des Buchs. Es war vor allem das furchtlose Auftreten seines Autors.

Vor zwei Wochen nahm Robert Saviano mit Kammerpräsident Fausto Bertinotti in der kampanischen Hochburg der Camorra, Casal di Principe, an einer Veranstaltung gegen die Mafia teil. Dabei nannte er öffentlich die untergetauchten Clanchefs mit Namen: "Michele Zagari, Antonio Iovine, Francesco Schiavone - eure Macht gründet nur auf der Angst." An die Bevölkerung appellierte er: "Hört auf, um das zu bitten, was euch zusteht." Der Corriere di Caserta sprach von einer "Beschimpfung" und notierte die Abwesenheit aller Lokalpolitiker.

In Zukunft wird sich Roberto Saviano auf Anordnung des Innenministeriums nur noch in Begleitung von Leibwächtern bewegen können. Innenminister Giuliano Amato hat den Fall zur Chefsache erklärt.

Der entsprechende Beschluss fiel am selben Tag, an dem der EU-Staat Italien in den UNO-Sicherheitsrat gewählt wurde. (Gerhart Mumelter/ DER STANDARD, Printausgabe, 18.10.2006)