Zwischen Weingärten und Gemüsefeldern ragen Bohr- und Fördertürme in den Himmel. Die OMV will mehr davon. Messungen sollen Aufschluss über noch unentdeckte Energiereserven bringen.

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Messtrupps drücken hydraulisch bedienbare Stempel in den boden. Die Schallwellen geben Rückschluss auf möglichen Öl- und Gasvorräte.

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Ebenthal – Ein Gitterzaun grenzt das Gelände ein. Rundherum abgeerntete Felder. In einiger Entfernung leuchten Weingärten in bunten Farben. Rohre aus Stahl, die auf dem Boden lagern, warten darauf, zusammengeschraubt und in den Boden gedreht zu werden.

Ebenthal im niederösterreichischen Weinviertel sitzt auf einer Gasblase. Darin, so schätzen Geologen, lagern rund 1,5 Mrd. Kubikmeter dieses wertvollen Stoffs. Das haben Probebohrungen ergeben, die im Vorjahr durchgeführt worden sind. 1,5 Mrd. m3 entsprechen etwa einem Fünftel des jährlichen Erdgasverbrauchs von Österreich. Diesen Schatz will der OMV-Konzern, Inhaber der Bohr- und Förderlizenzen sowie Pächter des Grundstücks, heben.

Bohrung seit Ende Mai

Wo früher Gemüse angebaut wurde, ragt nun ein 55 Meter hoher Turm in den Himmel. Im April kam er hier stückweise an, verteilt auf 70 Lkws. Das Zusammenbauen hat keine Woche gedauert. Seit Ende Mai wird gebohrt. "Wir sind knapp vorm Ziel", sagte der OMV-Bohrverantwortliche Ulrich Winter bei einem Standard-Lokalaugenschein. Der Bohrmeißel sei in eine Tiefe von 3461 Meter vorgedrungen, bis zum vermuteten Gas fehle nicht mehr viel.

Nicht mehr viel ist allerdings relativ. Immer wieder können unvermutet Probleme auftauchen. "Bereits zweimal haben wir wegen Wassereinbruchs unser Bohrziel neu ansteuern müssen", sagt Wolfgang Mitschker, Betriebsführer der Bohrfirma KCA Deutag. Das schottisch-deutsche Unternehmen hat schon bei früheren Bohrungen für die OMV gearbeitet. "Diese Bohrung gehört sicher zu den komplizierteren", plaudert Mitschker aus der Schule, "aber was soll’s. Probleme zu lösen gehört zu unserem Job."

Spielraum

Noch gibt es etwas Spielraum. Laut Zeitplan will die OMV mit der kommerziellen Förderung aus diesem Block im Spätherbst 2007 beginnen. Nicht weit weg von Ebenthal, in Strasshof, hat die OMV im April des Vorjahres einen noch größeren Fund gemacht, den größten seit 20 Jahren überhaupt. In ca. 3000 Meter Tiefe wurde eine Lagerstätte mit rund vier Mrd. Kubikmetern entdeckt. Das entspricht rund der Hälfte des jährlichen österreichischen Gasverbrauchs. Das erste Gas soll im 1. Quartal 2008 aus dem Bohrloch kommen, die Vollproduktion soll im Frühsommer 2009 aufgenommen werden. Das Wiener Becken gehört zu den am besten erkundeten Landstrichen. Hier liegt das größte zusammenhängende Ölvorkommen Mitteleuropas. Sein zentrales Feld – benannt nach dem Ort Matzen nordöstlich von Wien – ist 1949 entdeckt worden. Es hatte damals ein geschätztes Volumen von einer halben Mrd. Fass (à 159 Liter) Erdöläquivalent.

2005 hat die OMV in Österreich 860.000 Tonnen Öl und Kondensate gefördert und 1,2 Mrd. m3 Erdgas aus dem Boden geholt. Zum Vergleich: Österreich verbraucht pro Jahr 12,5 Mio. Tonnen Erdöl und neun Mrd. Kubikmeter Erdgas.

3-D-Seismik

Obwohl schon sehr viel Öl und Gas aus dem Boden gequetscht worden ist, macht sich Österreich oberste Ölsucher, Helmut Langanger, Hoffnung auf weitere Funde. "Strasshof und Ebenthal haben uns beflügelt, weiterzusuchen", sagt Langanger, der im OMV-Vorstand für die Suche und Förderung von Öl und Gas zuständig ist. "Wir sind Technologieführer bei der Erkundung neuer Lagerstätten auf dem Festland“, sagt Langanger ganz unbescheiden. Während weltweit nur rund ein Drittel des vorhandenen Öls gefördert werden kann, holt die OMV gut 40 Prozent heraus und peilt 50 Prozent an. Dabei setzen die Explorateure auf eine teure Schlüsseltechnologie: 3-D-Seismik.

Tonnenschwere Spezialfahrzeuge, die jetzt wieder auf Äckern und Feldern des Weinviertels unterwegs sind, wummern Stempel in den Boden und erschüttern auf diese Weise das Erdreich. Im Boden verlegte Mikrofone zeichnen die Schallwellen auf, die – in dreidimensionaler Form aufbereitet – Rückschlüsse über möglicherweise noch versteckte Kohlenwasserstoffe zulassen. (Günther Strobl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20.10.2006)