Am Abend des 30. November 1977 um 21 Uhr war es soweit: Die Staatsoperette wurde, obwohl von ÖVP-Kuratoriumsmitgliedern als „vom staatspolitischen Aspekt her geradezu gefährlich“ taxiert und trotz der beim ORF eingegangenen Bombendrohung der Öffentlichkeit vorgeführt.

 

Wenn das publizistische Getöse im Vorfeld auch beträchtlich war und die „anständigen Österreicher“ beharrlich auf „Skandal“ getrimmt worden waren – Vertreter der ÖVP hatten noch am Tag der Sendung Österreichs Katholiken mehrfach dazu aufgerufen, sich „das Machwerk anzuschauen und sich pflichtgemäß darüber zu empören“–, war die Anzahl der bei der ORF-Kundendienstzentrale eingehenden Anrufe relativ bescheiden. Es wurden „nur“ 647 Anrufe (darunter 43 positive Reaktionen) noch während der Sendungund 233 Anrufe während des anschließenden „Club 2“ gezählt. Die Sprachregelungen („Machwerk“, „Verhöhnung der Heimat und der Kirche“, „Provokation“, „Staatsskandal“, „untragbare Zumutung“) hatten ihre Wirkung nicht verfehlt, wie die Wiederholung der Entrüstungsfloskeln zeigte: „Ein Machwerk an Gemeinheit ersten Ranges. Wie kann so etwas für das Fernsehen überhaupt frei gegeben werden? Armes Österreich, wohin gehst du?“ (Kleine Zeitung), „Eine verabscheuungswürdige Beleidigung der religiösen Gefühle wehrloser Bildschirmbetrachter“ (Kurier), „Pfui Teufel, das ist schon Blasphemie“, „Das ist der Untergang des Abendlandes“, „Eine Schandproduktion, der Küniglberg gehört ausgeräuchert“, „Die Nazis waren Waisenkinder gegen jene, die das veranlasst haben“, „Ich hatte immer schon den Verdacht, dass der ORF mit Juden durchsetzt ist, jetzt weiß ich das wenigstens ganz bestimmt“, (alles Kleine Zeitung), „Hier waren Psychopathenam Werk“ (Kronen Zeitung).

Trotz der quantitativ weit unter den Erwartungen liegenden Resonanz wurde auch nach der Sendung versucht, aus der Staatsoperette eine Staatsaffäre zu machen, das Skandälchen zu einem Riesenskandal aufzupäppeln. Während die einen meinten, eine „Riesenprotestwelle“ festzustellen (Kleine Zeitung), sprachen die anderen von einem „Sturm im Wasserglas“ (Arbeiter Zeitung).

Während z. B. die Süd-Ost Tagespost von „Viel LärmumMist“ und selbst ein Kommentator der konservativen Presse von einer Überschätzung der Staatsoperette sprach und meinte, „die Heimlichtuerei ist der größte PR-Coup, den der ORF seit langem gelandet“ habe, entblödeten sich andere nicht, von einem „weltweiten Skandal“ zu sprechen (Volkszeitung Klagenfurt).

Das eigentlich Bemerkenswerte ist, dass nach der Ausstrahlung der Sendung kaum neue Argumente dazukamen. Es wurde stereotyp wiederholt, was schon vorher gesagt worden war. Zudem kam es kaum zu einer öffentlichen Diskussion über den ästhetischen und künstlerischen Gehalt der Staatsoperette, darüber, was Operette als Genre bedeutet, oder über das Verhältnis von Kunst und Realität oder darüber, was denn „Vergangenheitsbewältigung“ überhaupt heißt, welche Rolle hier Kunst überhaupt zu spielen imstande ist. Die wenigen zur ästhetischen Dimension gemachten Äußerungen reichen von „filmtechnisch interessant, musikalisch begabt“ (Kurier) bis zu „plump, humorlos, fad und Riesenschmarrn“ (Vorarlberger Nachrichten).

Ein Kommentator brachte es wohl treffend auf den Punkt, als er schrieb, „die Staatsoperette ist besser als ihr Ruf, aber schlechter als ihre Absicht“ (Neue Zeit).

Auszug aus: Elisabeth Büttner/Christian Dewald „Anschluss an Morgen“, Residenz Verlag 1997