Ein Mann – wie alle Auftretenden in Jenseits des Krieges ein Besucher der Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941–1944“, die im Oktober und November 1995 in Wien gezeigt wurde – erinnert sich an ein Erlebnis vor langer Zeit. Er erzählt von Erhängten in Russland, deren gefrorene Körper im Wind aneinanderschlagen. Er war damals dabei, nun denkt er daran zurück. Was er sagt, ist eine Aussage, und zugleich ein Bild. Der Feldzug der Wehrmacht gegen Russland und die im Zuge dessen begangenen Verbrechen sind das mittelbare Thema des Films von Ruth Beckermann.

 

Man sieht die Ausstellung durch die Reaktionen der Besucher. Sie fühlen sich angegriffen, sie wollen persönlich darauf antworten, was ihnen hier als historischer Zusammenhang präsentiert wird. Beckermann filmt Gedächtnisprotokolle, in denen eine Ausstellung ergänzt wird, die vom Hamburger Institut für Sozialforschung gestaltet worden war und auf kontroverse Weise den Unterschied zwischen nationalsozialistischen Gesinnungstätern und Kriegsverbrechern in der Wehrmacht einebnete.

Die Präsentation erwies sich als anfechtbar, sie war ebenso sehr Dokumentation wie Provokation. Größeres Augenmerk als irgendwelchen Objektivitätsdiskussionen in Gruppen widmen Beckermann und ihr Kamermann Peter Roehsler der Geschichte von Einzelnen. Damit ist schon die erste Entscheidung getroffen, diesen Film nicht dadurch „attraktiv“ zu machen, dass man „Täter“ und „Opfer“ aufeinander loslässt.

Die Wehrmacht hat an den Verbrechen der Nazis großen Anteil gehabt: Diese These der Ausstellung wird im Film mit neuen Fällen belegt. Einige erzählen, wie sie sich gedrückt haben vor Exekutionen; manche legen Wert darauf, dass Verweigerer in so einem Fall nicht bestraft wurden. „Gewissensqual hab ich nicht gehabt“, bleibt dann ein Soldat „in der sechsten Generation“ hartnäckig, auch auf Nachfragen der Filmemacherin. Hier greift Beckermann zu einem signifikanteren Schnitt, lässt sie eine pointiert andere Position folgen. Fast immer ist die Montage sonst eher unauffällig. Es steht eher eine Dramaturgie des Sammelns von Indizien im Zentrum als ein Prozess mit Anklage und Rechtfertigung, der sich vor den Bildern der Ausstellung unentwegt abspielt.

Jenseits des Krieges vermeidet alle Effekte, die den Duktus stören könnten, und widmet sich ruhig einem Projekt: den Willen zum Wissen zu überprüfen.

Am Ende hat man den Eindruck, die Kriegsgeneration wäre gar nicht so stur auf die „Soldatenehre“ versessen, wie sie die Gegner der Ausstellung so schnell besudelt sehen wollten. Hieraus eine soziologische Folgerung zu ziehen, wäre falsch: Die Auswahl, die Beckermann getroffen hat, fügt sich nicht zu einer Vergangenheitsbewältigung.

Die Ausstellung musste später überarbeitet werden. Das ändert nichts daran, dass diese Momentaufnahme ein bedeutendes Dokument darstellt.

Bert Rebhandl, Ständiger Mitarbeiter des Standard, lebt und arbeitet in Berlin.