"Wien-Mitte, wie es sich derzeit darstellt, ist ein Schandfleck - nicht seit gestern, sondern seit vielen Jahren", so ÖVP-Klubobmann Matthias Tschirf.

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Wien - Die Wiener ÖVP kritisiert, dass bei der Erneuerung und Überbauung des Bahnhofs Wien-Mitte im Bezirk Landstraße nichts weitergeht. "Wien-Mitte, wie es sich derzeit darstellt, ist ein Schandfleck - nicht seit gestern, sondern seit vielen Jahren", so Klubobmann Matthias Tschirf am Montag in einer Pressekonferenz. Die Verantwortung dafür trage der Bauträger B.A.I., aber auch die SP-Stadtregierung.

Stand der Dinge ist laut ÖVP ein für 2007 angekündigter Baubeginn. So richtig daran glauben will man aber nicht. "In den sechs Jahren, in denen ich Bezirksvorsteher-Stellvertreter bin, ist das die sechste Ankündigung für das jeweils nächste Jahr", so Georg Schüller von der ÖVP-Landstraße. Ähnlich sieht das Tschirf: Drei Flächenwidmungsbeschlüsse habe es im Gemeinderat bereits gegeben, umgesetzt worden sei bis heute aber nichts.

Zu der im Sommer angekündigten Befassung der Bezirksgremien mit der Materie ist es bis heute nicht gekommen, berichtete Andreas Keri, Klubobmann der ÖVP Landstraße. Es geht um geringfügige Abweichungen von den Bebauungsvorschriften gemäß Paragraph 69 der Bauordnung, die den Landstraßer Bauausschuss passieren müssen. Am 20. September sei der Punkt bereits auf der Tagesordnung gestanden, dann aber kurzfristig wieder abgesetzt worden, so Keri.

Wie Thomas Jakoubek von der B.A.I. im Juli gegenüber der APA erklärt hat, müssen "Kleinigkeiten" geändert werden, etwa bei den Fluchtmöglichkeiten im Bereich des geplanten Einkaufszentrums. "Es gibt keine Höhen- und Baumassenveränderungen", so Jakoubek damals zu dem Projekt, das mit seinen früher geplanten Hochhaustürmen sogar das UNESCO-Welterbekomitee auf den Plan gerufen hatte.

Bei der ÖVP befürchtet man nun, dass sich das Projekt wegen des gestiegenen Finanzbedarfs der ÖBB für den Hauptbahnhof weiter verzögern könnte. Dabei sei es höchste Zeit für Veränderungen: "Es traut sich ja niemand mehr durchzugehen, die Kriminalität ist gestiegen", so Tschirf.

Bauverhandlung laut SPÖ im November

Zu einer Bauverhandlung in Sachen Bahnhof Wien-Mitte wird es voraussichtlich Anfang November kommen, gab indessen Rudolf Zabrana, stellvertretender Landstraßer Bezirksvorsteher der SPÖ, in einer Aussendung bekannt gegeben. Die ÖVP wolle um jeden Preis auffallen und ziehe unnötigerweise über das Projekt her, meinte er.

Wie bei solch großen Projekten üblich, gebe es auch beim Projekt Wien-Mitte immer wieder kleinere Umplanungen. "Deswegen konnte der Akt von der Baubehörde noch nicht abgeschlossen werden. Erst nach Abschluss durch die Baubehörde kann er im Bezirk behandelt werden", erklärte Zabrana.

Verwundert über die ÖVP-Kritik zeigte man sich auch beim Bauträger BAI (Bauträger Austria Immobilien). "Das Ganze läuft, das ist unaufhaltsam", betonte BAI-Chef Thomas Jakoubek am Montag gegenüber der APA. Mit ersten Demolierungen werde "in den nächsten drei bis vier Wochen" begonnen, wobei es primär um die Entsorgung von Asbest-hältigen Materialien gehe.

Tatsächlich gibt es aber für die weiteren Arbeiten noch keine Freigabe. "Wir rechnen mit der Baubewilligung im Jänner", so Jakoubek. Auch das eisenbahnrechtliche Verfahren sei noch nicht abgeschlossen. Die BAI habe ihre Aufgaben jedenfalls erfüllt und alles eingereicht: "Jetzt müssen wir es nur noch genehmigt bekommen." Mit dem "massiven Abriss" der bestehenden Gebäude will er dann nach dem kommenden Winter starten. "Es gibt keinen Grund mehr, an dem Projekt zu zweifeln", betonte der BAI-Chef.

Auch die FPÖ stellte sich gegen die Volkspartei. Die Wiener ÖVP beklage zwar zu Recht das Zeitlupentempo der Stadt Wien bei dem Projekt, verschweige aber ihren eigenen Beitrag zu dieser "Planungsposse", kritisierte der Wiener FP-Planungssprecher Herbert Madejski. Die ÖVP solle das Mitwirken "ihres" ÖBB-Chefs Martin Huber an dem Schlamassel nicht vergessen. (APA)