Ungewöhnliche Porträts gefangener Frauen: Die ehemalige RAF-Aktivistin Eva Haule hat ihre Mitgefangenen fotografiert.

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Sie hätte auch Fotos machen können, wie es sie viele gibt aus dem Knast: mit Gittern vor den Fenstern, hinter denen Frauen leben, in deren Gesichtern das blanke Elend steht. Aber solche hoffnungslosen Bilder wollte Eva Haule nicht. Ihr ging es vielmehr darum zu zeigen, "dass da Frauen im Gefängnis sind, die eine bestimmte Würde ausstrahlen und sich nicht brechen lassen".

Die so spricht, ist selbst seit fast zwanzig Jahren inhaftiert. Drei Jahre davon verbrachte sie in Einzelhaft. Das war für RAF-Mitglieder durchaus üblich. Eva Haule, Tochter einer gutbürgerlichen Familie aus der Nähe von Stuttgart, gehörte in den Achtzigerjahren zur Roten Armee Fraktion. 1984 ging sie in den Untergrund. Zwei Jahre später, 1986, wurde sie verhaftet. Seitdem sitzt sie im Gefängnis.

Foto aus dem besprochenen Band

"Im Knast läuft man irgendwann herum und sieht nichts mehr, weil es immer dasselbe ist", sagt Eva Haule. Diese Tunnelperspektive ändert sich erst, wenn sie durch den Sucher ihrer Kamera blickt. Sechs Jahre lang besuchte sie im Gefängnis einen Fotokurs nach dem anderen. Das Fotografieren belebte ihren Alltag und ihre abgestumpften Sinne. Sie porträtierte ihre Mitgefangenen. Es sind sehr persönliche Aufnahmen: einfühlsame und atmosphärisch dichte Bilder in ästhetischem Schwarz-Weiß, die ihren Entstehungsort nicht erahnen lassen.

Als Hintergrund dienten die kahlen, weißen Anstaltswände oder ein großes schwarzes Tuch – größere Auswahl gab es nicht. Umso mehr überraschen Eva Haules Fotos in ihrer vielseitigen und individuellen Komposition: Das Gesicht einer Schwarzen in Nahaufnahme kontrastiert sie mit einer weißen Kalla. Lange, dichte Haare umrahmen hagere, nackte Frauenschultern. Eine barbusige Frau zeigt, fast trotzig, ihre von Einstichnadeln vernarbten Arme. Und eine üppige, dunkelhaarige Schönheit trägt nichts am Körper als ein Tuch um die Schultern.

"Joanne" - Foto aus dem besprochenen Band

Sich so von ihr fotografieren zu lassen setzte Vertrauen voraus. "Und eine ganz andere Offenheit, als man sonst im Knastalltag draufhat." Diese Vertrautheit miteinander und das Vertrauen der Frauen in die Fotografin machen die besondere Qualität der Fotos aus. Mit ihnen bewarb Eva Haule sich schließlich bei der renommierten Schule "Fotografie am Schiffbauerdamm" in Berlin – und wurde sofort angenommen.

Seit April 2004 mischt sie sich als "Freigängerin" im offenen Strafvollzug unter die normalen Werktätigen der Stadt. Sollte sie 2007 womöglich entlassen werden, möchte sie auf Reisen gehen und Fotoreportagen machen. "Das wäre so ein Wunsch von mir. Aber wie der umzusetzen ist, das ist mir alles noch nicht klar."(Rebecca Hillauer/ ALBUM/ DER STANDARD, Printausgabe, 14./15.10.2006)

Eva Haule: "Porträts gefangener Frauen". € 19,–/80 Seiten _mit 56 s/w-Fotos. SPAK Bücher (Publikationsprogramm des Sozialpolitischen Arbeitskreises), Neu-Ulm 2006.

"Eva Haule" - Foto aus dem besprochenen Band