Zur Person
Artemy Lebedev (31) ist Designer und leidenschaftlicher Weltreisender. Er betreibt die Webseiten Art. Lebedev Studio und Tema.com, in deren Reisesektion sich die Bilder seines Nordkorea-Besuchs befinden. Eine englische Zusammenfassung seines Reiseberichts finden Sie hier.

Foto: Artemy Lebedev

Der russische Designer Artemy Lebedev besuchte Nordkorea im Mai dieses Jahres im Rahmen einer geführten Reise. Es gelang ihm mit diversen Tricks, trotz der strengen Auflagen einige ungewöhnliche Motive zu fotografieren. Im E-Mail-Interview mit Berthold Eder berichtet Lebedev über seine Eindrücke und verrät, wie er unter den strengen Augen der staatlichen Reiseführer, die jeden Touristen begleiten, zu den Bildern kam.

derStandard.at: Wie kamen Sie auf die Idee, nach Nordkorea zu reisen?

Artemy Lebedev: Ich finde, dass jeder, der sich für die Lebensumstände von Menschen auf der ganzen Welt interessiert, Nordkorea sehen soll. Es ist eines der Länder, über das man kaum etwas weiß. Also nutzte ich die Gelegenheit, das Land zu besichtigen, solange es das Regime noch gibt.

Ich bin in der UdSSR aufgewachsen und weiß daher mehr über das Leben im Kommunismus als Menschen, die immer in einem "entwickelten Land" gelebt haben. Ich kenne beide Seiten der Geschichte – die kommunistische und die kapitalistische. Ich würde mir nie wünschen, den ersten Teil meines Lebens noch einmal durchzumachen, aber eine Woche im Kommunismus/Stalinismus zu verbringen, war eine Gelegenheit, die ich mir nicht entgehen lassen konnte. Das Flugzeug funktioniert in diesem Fall als Zeitmaschine.

derStandard.at: War es schwierig, ein Visum zu erhalten?

Lebedev: Überhaupt nicht. Die nordkoreanische Botschaft in Moskau rief mich um sieben Uhr morgens an und wollte ein paar Fragen beantwortet haben – ob ich jemals in Südkorea gewesen sei, was die Gründe für meine Reise seien – das war alles.

derStandard.at: Wie haben Sie es geschafft, trotz der strengen Kontrollen diese Bilder zu machen und sie außer Landes zu bringen?

Lebedev: Man muss sich halt etwas einfallen lassen. Touristen werden in Nordkorea ständig von staatlichen Reiseführern begleitet, die einem Statistiken über die Reisproduktion des Landes oder die Abmessungen irgendwelcher Denkmäler vortragen.

Das Mansudae-Denkmal in Pjöngjang wird von zwei 23 Meter langen Fahnen flankiert. Darunter stehen 228 Statuen.

Ihre Hauptaufgabe ist aber, einen davor zu beschützen, dass man seine Kamera auf etwas anderes als die vorgesehenen Motive wie Gedenkstätten oder Bergpanoramen richtet.

Ich will hier nicht alle Geheimnisse ausplaudern, aber ein Tipp könnte sich in technisch wenig entwickelten Ländern als hilfreich erweisen: Als ich den Lastwagen mit Holzvergaser fotografierte, wurde ich aufgefordert, das Bild sofort zu löschen. Ich zeigte meinem Reiseführer also das Bild auf dem Kameradisplay, drückte den "Delete"-Knopf und schaltete die Kamera einfach aus. Meine Aufpasser wussten nicht, dass man den Löschvorgang noch einmal bestätigen muss und waren zufrieden.

Weil Erdöl in Nordkorea Mangelware ist, werden viele Fahrzeuge mit (störungsanfälligen) Holzvergasern betrieben.

derStandard.at: Welchen Eindruck haben Sie von der Lebenssituation der nordkoreanischen Bevölkerung? Ist diese mit anderen Entwicklungsländern vergleichbar?

Lebedev: Nordkorea gehört nicht zur Dritten, sondern zur Zweiten Welt – etwas, wovon die meisten Menschen noch nie etwas gehört haben. Ich habe keine Menschen mit offensichtlichen Gesundheitsproblemen auf der Straße gesehen. Nur einmal erspähte ich aus dem Auto einen Mann mit Krücken, der sich mit einem Polizisten unterhielt. Als mein Fahrer mit der Lichthupe signalisierte, dass sich Ausländer im Auto befinden, versuchte der Beamte, mir die Sicht auf den Gehbehinderten zu verstellen. Allerdings habe ich außer dem Textilmuseum, dessen Besuch Teil des offiziellen Touristenprogramms ist, keine Industrieanlagen gesehen.

Panoramablick über Pjöngjang

derStandard.at: Hatten Sie abseits des Reiseprogramms Kontakt zu Einheimischen?

Lebedev: Die meiste Zeit wird man mit Minibussen so schnell wie möglich von einer Touristenattraktion zur nächsten transportiert. Einheimischen ist der Aufenthalt an diesen Orten verboten, was die Kontaktaufnahme natürlich erschwert. Ich konnte mich nur einmal kurz mit ein paar Nordkoreanern unterhalten, die in der UdSSR studiert hatten und auf uns aufmerksam wurden, als sie hörten, dass mein Reiseführer mit mir russisch sprach. Dieser war über den Zwischenfall aber gar nicht erfreut.

derStandard.at: Konnten Sie sich auf ihrer Reise einen Einblick in die nordkoreanische Medienlandschaft verschaffen? Wird dort über außenpolitische Themen berichtet?

Lebedev: Auf dem Flug von Peking nach Pjöngjang wird an die Passagiere eine englischsprachige Gratiszeitung verteilt. Mir fiel auf, dass nur in drei der ca. 25 Artikel darin Kim Il Sung oder Kim Jong Il nicht erwähnt wurde. In diesen Texten ging es um eine mögliche Wiedervereinigung mit Südkorea.

Das "Korea Magazine", das in zahlreichen Sprachen (darunter auch Russisch) erscheint, widmet sich hauptsächlich den Errungenschaften der Nordkoreaner und ihres Führers. Nur der hinterste Teil der Zeitschrift beschäftigt sich mit den Untaten der USA: in einem Artikel habe ich gelesen, dass die Amerikaner in den 50er-Jahren vergiftete und mit Krankheiten infizierte Spinnen, Mäuse und Schlangen über Nordkorea abgeworfen hätten.

derStandard.at: Haben Sie noch Kontakte nach Nordkorea?

Lebedev: Ich habe keine Möglichkeit, mit irgendjemandem in Nordkorea zu kommunizieren. Da ich keine Reisebekanntschaften gemacht habe, kann ich keine Kontakte aufrechterhalten, und meine Reiseführer haben mir auch keine E-Mail-Adressen gegeben, an die ich ihnen ein paar gelöschte Bilder schicken könnte
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