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derStandard.at: Der Anteil der über 45-Jährigen wächst, andererseits werden Weiterbildungsmaßnahmen von dieser Gruppe nicht so sehr genutzt beziehungsweise auch nicht angeboten. Was sind die Hauptgründe von Seiten der Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Weiterbildungsinstitute?

Lachmayr: Einerseits ist das eine Wechselbeziehung: die Bildungsanbieter reden sich darauf hinaus, dass sie gerne etwas anbieten wollen, aber niemand nachfragt. Die Arbeitnehmer selber haben klassische Antworten wie wozu brauche ich das, was bringt es mir konkret. Die Bedeutung ist ihnen oft nicht bewusst, deswegen hat Weiterbildung oft einen Schulbankcharakter. Die klassische Hürde sind die Kosten. Dem gibt es aber entgegenzuhalten, dass es ausführliche Informationen zu Förderungen im Internet gibt.

Bei Kleinbetrieben kommt oft das Argument der fehlenden Arbeitszeit, wenn die Mitarbeiter auf Weiterbildung sind. Wenn das ein Fünf- , Sechs-Personenbetrieb ist, und die Leute längere Zeit weg, fehlt die Person natürlich im Ablauf.

Ältere Menschen haben mehr Erfahrung und Wissen – Betriebe erkennen das oft gar nicht, es wird intern nicht wertgeschätzt. Das ist sicher ein Punkt, der bis jetzt noch untergeht.

derStandard.at: Können Arbeitnehmer zu Weiterbildungsmaßnahmen motiviert werden, indem zuerst das, was schon vorhanden ist, anerkannt wird?

Lachmayr: Genau. Einerseits durch Anerkennung und andererseits gibt es auch andere einfache Methoden zur Weiterbildung. Stichwort Tandem: Ein älterer Arbeitnehmer bekommt einen Anfänger und betreut ihn eine Zeit lang. Der Jüngere bringt Wissen von der Ausbildung mit und der ältere die praktische Erfahrung. Durch diesen Austausch werden die ältern Mitarbeiter auch anerkannt.

Eine versteckte Motivation sich weiterzubilden ist auch die Arbeitsplatzsicherung. Es muss jetzt nicht der Englischkurs sein, sondern eine Möglichkeit ist auch sich selber zu informieren und sei es einfach Bücher zu lesen.

derStandard.at: Wie können zum Beispiel Kleinunternehmer motiviert werden, die Weiterbildung zu fördern?

Lachmayr: Da kann man argumentieren, dass es doch etwas bringen kann, auch wenn die Mitarbeiter vielleicht für eine gewisse Zeit ausfallen. Denn das Wissen kann intern weitergegeben und während der Arbeit eingebracht werden und effizienteres Arbeiten ist das Ergebnis.

derStandard.at: Was kann man dem Argument von Unternehmen entgegenhalten, dass ältere Mitarbeiter nicht mehr so lange im Unternehmen sein werden wie jüngere und Investitionen in Weiterbildung daher weniger bringen?

Lachmayr: Einerseits kann man sagen, dass dieses Argument falsch ist, denn über 45-Jährige haben noch rund 20 Jahre Berufszeit vor sich. Die Lebenserwartung steigt und der Pensionsantritt wird wahrscheinlich noch etwas nach hinten gehen. 45 ist deshalb das Stichalter, weil man nach EU-Kriterien ab dann zu den älteren ArbeitnehmerInnen zählt. Aber auch ein 50-Jähriger hat noch mindestens zehn Jahre vor sich.

Zweitens ist es für den Betrieb wichtig, dass man sowohl ältere als auch jüngere in dem Betrieb drinnen hat, weil beide ganz andere Kompetenzen mitbringen. Die jungen Wilden versus die älteren Erfahrenen. Der eine hat die Energie, der andere leitet, so kann sich das ergänzen.

derStandard.at: Ein Argument von Unternehmen gegen Weiterbildungsförderung von älteren könnte sein, dass sie lieber jüngere Mitarbeiter einstellen, die das Wissen schon haben. Was kann man dagegen sagen?

Lachmayr: Das ist ein hartes Argument. Grundsätzlich kann man nicht verallgemeinern, das ist nach Branche verschieden. Wenn der Beruf körperlich anstrengend ist, kann es sein dass man nach einigen Jahren körperlich nicht mehr kann – Stichwort Gesundheit.

Ein anderes Beispiel: Beim Projekt ADEG 50+ werden ältere VerkäuferInnen für die teilweise auch ältere Kundschaft eingesetzt - MitarbeiterInnen für die Zielgruppe der Älteren. Da ist klarerweise auch eine Marketingstrategie dahinter, dass man alle Kundensegmente auch vom Alter her abdecken kann.

derStandard.at: Glauben Sie, dass ältere Arbeitnehmer durch solche Beschäftigungskonzepte motivierter sind, sich dafür auch weiterzubilden?

Lachmayr: Ja und nein. Einerseits motiviert die Wertschätzung. Andererseits muss man aufpassen, dass man nicht "die Alten" und "die Jungen" sieht, dass man da nicht so sehr schwarz-weiß zeichnet. Das geht natürlich auch nach hinten los.

derStandard.at: Wie sieht es mit den Weiterbildungsanbietern aus, was habe sie davon, Weiterbildung für diese Altersgruppe anzubieten?

Lachmayr: Das ist ein bestehender Markt. Natürlich haben sie Interesse daran neue Kunden zu bekommen. Es gibt aber wenig Nachfrage von Seiten der Betriebe und generell von den älteren Arbeitnehmern an berufsbezogener Weiterbildung.

derStandard.at: Welche didaktischen Punkte sollten bei der Weiterbildung beachtet werden?

Lachmayr: Unterlagen, abwechslungsreiche Präsentation, Pausen, mehr Zeit zum Nachfragen. Gefragt ist die Präsentation praxisnaher und gleich anwendbare Ergebnisse. Es müssen nicht nur ältere Leute im Kurs sitzen, es kann ruhig gemischt sein. Wenn eine 20-jährige Trainerin einer Gruppe 45+ etwas beibringt, muss man auf diesen Altersunterschied eingehen und Vorurteile abbauen.

Die von unserem Institut befragten Arbeitnehmer haben gemeint, sie möchten spezielle oder möglichst konkrete für den Arbeitsplatz passende Weiterbildung haben. Das heißt Englisch Teil Eins für Alltagsenglisch ist nicht das Gewünschte. Sie möchten konkret etwas haben, worin sie auch einen konkreten persönlichen Nutzen sehen. Da ist es dann schwierig die MindestteilnehmerInnenzahlen zu bekommen.

Für firmeninterne Schulungen gibt es auch oft das Problem, dass zu wenige ältere ArbeitnehmerInnen im Betrieb sind, die genau etwas davon haben. Und Einzelcoachings sind natürlich wieder teuer.

derStandard.at: Glauben Sie, dass mehr Bedarf an Information besteht, wo sich Privatpersonen und Betriebe finanzielle Anreize holen kann?

Lachmayr: Es gibt Bedarf an Informationssensibilisierung. Aber es gibt ja wie schon gesagt, bestehende Internetseiten, die Informationen anbieten. Wobei natürlich der Zugang zur Interneterfahrung in der Altersgruppe manchmal nicht vorhanden ist, Informationsbedarf besteht natürlich dennoch. Aber bevor man Information sucht, muss man erst einmal das Bewusstsein finden, dass Weiterbildung wichtig ist, dass es Sinn macht, dass es den Job sichert. Da können Workshops als eine Art Boxenstopp helfen, wo sich Betroffene nach Jahrzehnten Arbeit einen Tag Auszeit nehmen und darüber nachdenken, wohin sie in der Zukunft möchten.

derStandard.at: Weiterbildung bringt ja auch einen wirtschaftlichen Vorteil für das Unternehmen. Wie kann man dieses Bewusstsein auch auf der Arbeitgeberseite bilden?

Lachmayr: Einerseits sollten ArbeitgeberInnen erkennen, dass auch bei älteren erfahrenen Mitarbeitern betriebliches Wissen da ist, das man sichern sollte, auch durch Wertschätzung. Dass man sich dauernd externe Beratung oder Dienstleistung dazunimmt, das ist teuer.

Es gibt auch informelle Möglichkeiten, zum Beispiel interne Weiterbildungen. Bei der Zusammenarbeit in altersgemischten Teams können beide voneinander profitieren. Gerade in Kleinbetrieben wird sehr viel direkt am Arbeitsplatz gelernt, es gibt Einschulungen und dergleichen. Die vorhandenen Kompetenzen von den Älteren sollten genützt werden. Das ist allerdings auch zweischneidig. Wenn das Erfahrungswissen von den Älteren weitergegeben wird könnten sie dann erst recht auf die Straße gesetzt werden. Das ist ein sehr sensibles Thema.

derStandard.at: Sehen manche Menschen Bildung immer noch als Vorbereitung auf den Beruf, nach dem Motto "auf die Lehrjahre folgen Herrenjahre"?

Lachmayr: Das kann man nicht verallgemeinern. Das ist in manchen Branchen so. Ich denke da zum Beispiel an handwerkliche Berufe. Der Meister sagt, ich habe mein Wissen, meine Routine.

derStandard.at: Bei welchen Branchen ist die Situation bei der Weiterbildung besser?

Lachmayr: Die Bank- und Versicherungsbranchen sind da immer stark. All jene, die mit laufenden Gesetzesänderungen oder sonstigen Aktualisierungen zu tun haben. Auch jene Branchen, wo technische Innovationen regelmäßig stattfinden. Wenn Neuerungen alle 15 Jahre kommen, ist es sicher etwas anderes als wenn zum Beispiel bei IT laufend Änderungen stattfinden.

derStandard.at: Wie sehen Sie die Bewegung im Weiterbildungsangebot. Welche inhaltlichen Angebote würden Ihrer Meinung nach die Weiterbildung ab 45 interessanter machen?

Lachmayr: Das Kursangebot sollte auf den Arbeitsplatz zugeschnitten sein, nicht ewig dauern, sollte nach Möglichkeit gefördert sein und direkten Nutzen haben und verwertbar sein. Wir wollten ursprünglich konkret Weiterbildung für Erwachsene anbieten, sind jetzt aber davon weggekommen und setzen eher davor an, bei der Bewusstseinsbildung. Die Schwierigkeit an dem ganzen Thema ist, diesen Nachdenkprozess überhaupt ins Rollen zu bringen. Wir versuchen auch die Betriebsräte, nicht nur die PersonalchefInnen, ins Boot zu kriegen und andererseits auch die Weiterbildungsanbieter. Diese drei sollen sich gegenseitig aufschaukeln. (Das Interview führte Marietta Türk)