Sechs Jahre lang haben die Pitztaler Gletscherbahnen immer wieder neue Projekte eingereicht, die das Skigebiet über das Mittelbergtal mit der Talstation verbinden soll. Jetzt halten sie einen Bescheid in Händen, der einen Baubeginn in den nächsten Tagen erlaubt.

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Innsbruck – "Ein Betreiber kann ein Dutzend Mal ein Projekt einreichen, wenn er einmal durchkommt, hat der Naturschutz verloren", sagt der Raumplaner im Alpenverein (OeAV) Peter Haßlacher resignierend. Zuletzt war eine Variante einer Talabfahrt vom Gletscherskigebiet im Pitztal über den Mittelbergferner und eine 400 Meter hohe felsige Steilstufe ins Mittelbergtal noch an der Umweltverträglichkeitsprüfung gescheitert.

Während die Berufung dagegen beim Umweltsenat in Wien liegt, haben die Gletscherbahnen eine neue Variante eingereicht. Obwohl sich die Trasse in dem steilen und felsigen Gelände zwangsläufig kaum geändert hat und der "Sicherheitsweg" durch extrem lawinengefährdetes Gelände führt, hat die Bezirkshauptmannschaft Imst in einem einfachen naturschutzrechtlichen und eilig durchgezogenen Verfahren, einen positiven Bescheid erlassen.

"Der Druck der obersten Seilbahnbehörde war entscheidend", sagt Haßlacher und auch Naturschutzlandesrätin Anna Hosp (VP) spricht von einem "Zugzwang". Der war entstanden, weil die Seilbahnbehörde im Verkehrsministerium 23 Jahre nach der Eröffnung des Gletscherskigebiets Pitztal einen Evakuierungsplan zur Bedingung für die Genehmigung zweier am Gletscher erneuerter Skilifte machte – und zwar noch heuer vor Beginn der Wintersaison. Pitztaler Lokalpolitiker und Touristiker malten mit Nachdruck das Schreckensszenario einer entfallenden Saison an die Wand.

"Gravierender Natureingriff"

Gerüchten, wonach der ministerielle Einspruch mit den Betreibern akkordiert war, widerspricht Hosp. Das Ministerium argumentiere damit, dass seit der Katastrophe von Kaprun der "Stand der Technik" ein anderer sei, sagt Hosp und betont, dass ihr eine Evakuierungsvariante ins angrenzende Ötztaler Skigebiet lieber gewesen wäre. Hosp stellt auch klar, dass der jetzt genehmigte Sicherheitsweg "ein gravierender Natureingriff" ist. Betroffen ist davon unmittelbar der europäische Fernwanderweg Via Alpina.

Haßlacher verweist auf zwei Gutachten des OeAV, die unberücksichtigt blieben. Darin wird die Trasse des "Sicherheitsweges" über die Gletscherzunge des Mittelbergferners als für "ungeübte Skifahrer unzumutbar" charakterisiert. Völlig unklar bleibe auch wie der heikle Übergang von der Gletscherzunge zum Weg gestaltet werden soll. Dem Einwand des OeAV, dass der Weg Moränen anschneide – was nach dem Naturschutzgesetz verboten ist – will Hosp durch Änderungen der Trasse in letzter Minute entgegenkommen.

Für Haßlacher besteht kein Zweifel, dass der "Sicherheitsweg" nur der Auftakt für neue Begehrlichkeiten darstellt: Für geplante Erweiterungen des Skigebiets benötigen die Gletscherbahnen eine Baustraße – der vier bis zwölf Meter breite "Sicherheitsweg" ist bereits für Lkws bis 3,5 Tonnen genehmigt. Die Landesumweltanwaltschaft betont ihren Willen zu "Lösungen im Rahmen der Gesetze". Eine Entscheidung über eine mögliche Berufung gegen den BH-Bescheid steht noch aus. (Hannes Schlosser, DER STANDARD - Printausgabe, 13. Oktober 2006)