Wien - Die österreichische Autorin Barbara Frischmuth zeigte sich gegenüber der APA "begeistert" über die Vergabe des Literatur-Nobelpreises an Orhan Pamuk. "Wer Pamuk liest, versteht die Türkei viel besser". "Ich finde die Wahl großartig, denn Pamuk ist einer der besten Erzähler, die ich kenne", sagte die Schriftstellerin, die auch Türkisch studiert hat, weiters. "Er ist keiner, der sich oft mit politischen Statements zu Wort meldet, aber wenn, dann schreckt er nicht zurück". Die Wahl der Jury findet Frischmuth "völlig richtig, denn er ist einer der ersten Nobelpreisträger muslimischer Herkunft". Man habe ihn aber nicht "aus irgendeinem politischen Winkel geholt", sondern abgesehen vom politischen Gehalt der Entscheidung einen "großartigen Autor" ausgezeichnet. Er verstünde es, "in seinen Romanen die Welt in ihrer Komplexheit darzustellen". Frischmuth könne sich vorstellen, dass "die säkularen Kreise in der Türkei sich sehr freuen werden, die nationalistischen weniger". Aber letzten Endes werde der Stolz dominieren. Frischmuth, die Pamuk persönlich kennt, wird ihm demnächst schriftlich gratulieren. "Telefonisch wird er jetzt schwer erreichbar sein".

Nicht überrscht

Nicht überrascht zeigten sich auf Nachfrage der APA Gerhard Roth, Franzobel, Robert Menasse und Robert Schindel über die Vergabe des Literatur-Nobelpreises an Orhan Pamuk. Robert Menasse hat noch "keine Zeile" von Pamuk gelesen, will das aber nachholen. "Da ich noch nichts von ihm kenne, möchte ich nichts sagen, auch nicht zur politischen Einschätzung. Das wäre nicht fair und unseriös", meinte Menasse. Dass er noch nichts von Pamuk gelesen habe, sei reiner Zufall. Menasse: "Es hat sich nur noch nicht ergeben, aber ich werde es jetzt nachholen. Von den anderen Kandidaten wie Inge Kristensen oder Philip Roth kenne ich viel".

Gerhard Roth: "Erinnert an Dostojewski"

Als Autor hält Gerhard Roth den Nobelpreisträger, der ihn "an Dostojewski" erinnere, für "nicht innovativ, aber gut". Für Roth gerät der Nobelpreis "immer mehr ins Fahrwasser des Politischen. Pamuk wurde ein Symbol wegen seines Prozesses, da er für eine aufgeklärte Türkei steht. Dieses Symbol wurde ausgezeichnet, den man will damit die Türkei zur Liberalisierung in Richtung EU ermuntern". Er halte Pamuk für "keinen innovativen, aber guten Autor, der handfeste Literatur schreibt. Seine Romane sind solide, und er gibt Einblick in die heutige Gespaltenheit der Türkei. Er erinnert mich an Dostojewski." Roths Favoriten waren eher Ismael Kadare oder John Updike. Ob Gerhard Roth auch seinen Namenskollegen Philip Roth favorisiert hat? Roth: "Mir genügt das Buch von Pamuk: 'Rot ist mein Name'".

Franzobel: "Politische Wahl"

Franzobel habe erst ein Buch von Pamuk zu lesen begonnen, sei aber "nicht hineingekommen". Franzobel: "Ich halte die Vergabe korrekt als Statement für persönliche Befreiung, oder die Befreiung der Kunst, gerade aus dem sehr strengen türkischen Denken. Gleichzeitig halte ich so eine politische Wahl immer für bedenklich." Dass die Lektüre Pamuks ihn nicht so interessiert habe, könne auch an der Übersetzung liegen: "Da geht immer viel verloren. Ich werde es sicher wieder versuchen, aber nicht jetzt, sondern in zehn Jahren. Jetzt ist der Hype zu groß."

Er hätte sich als Nobelpreisträger eher eine Lyrikerin wie Inge Kristensen gewünscht, oder auch Friederike Mayröcker oder Ilse Aichinger. Franzobel: "Grundsätzlich ist der Nobelpreis ein absurder Preis. Da passiert eine Art Monumentalisierung des Werkes. Man sollte als Kandidat mindestens achtzig Jahre alt sein. So entsteht eine Auratisierung, und man verliert als Autor Schärfe und Spitze, und wird im Ruhm einzementiert, siehe Elfriede Jelinek. Ich selbst würde ihn ablehnen, trotz der Dotierung. Denn dann wird man sein eigenes Denkmal."

Schindel lobt Erzählweise

"Wunderbar", lautete die erste Reaktion von Robert Schindel auf die Vergabe des Literatur-Nobelpreises an Orhan Pamuk. "Pamuks Werk ist ungemein interessant, seine Auseinandersetzung mit den türkischen Machthabern immens wichtig", meinte Schindel, dem besonders Pamuks Roman "Rot ist mein Name", "in der er sieben oder acht Erzählungen von der Modernität, als auch von der inhaltlichen Reichhaltigkeit her, in Einklang bringt", gefallen hat.

Laut Schindel ist es vor allem Pamuks Erzählweise, die ihn besonders auszeichnet. "Er schreibt auf eine sehr moderne Art, aber immer in der Tradition eines Geschichtenerzählers", meint Schindel. In Bezug auf eine potenzielle politische Einflussnahme mit der Entscheidung meint Schindel: "Ich hoffe, dass bei der Verleihung des Nobelpreises nur die Literatur eine Rolle gespielt hat. Wenn als Nebenwirkung die demokratischen Kräfte in der Türkei gestärkt werden, ist das nur wünschenswert", so Schindel. (APA)