Moskau - Fünf Tage nach dem Mord an Anna Politkowskaja hat die Moskauer Zeitung "Nowaja Gaseta" den letzten Artikel der Journalistin veröffentlicht. In dem unvollendeten Text werden den vom Kreml unterstützten tschetschenischen Behörden Folterungen von politischen Gegnern vorgeworfen, die als Terroristen inhaftiert wurden.

"Kämpfen wir mit legalen Mitteln gegen die Gesetzlosigkeit?" schreibt Politkowskaja. "Oder zerschlagen wir sie mit unserer eigenen Gesetzlosigkeit?" Die Journalistin zitiert einen Tschetschenen, der aus der Ukraine an die Behörden in Grosny ausgeliefert wurde. Der Mann wurde nach eigener Aussage an Händen und Füssen hängend an eine Querstange gebunden, geschlagen, mit Elektroschocks gequält und mit einem Sack über dem Kopf an den Rand des Erstickens gebracht. Der Artikel enthält Fotos aus einem Videofilm, der offenbar von Personen gedreht wurde, die an den Folterungen beteiligt waren.

Zusammenhang mit Artikel?

Einige Kollegen von Politkowskaja haben die Vermutung geäußert, dass der Mordanschlag vom Samstag in Zusammenhang mit ihrer Arbeit an dem Artikel stand. In einem Gespräch mit Radio Liberty sagte Politkowskaja kurz vor ihrem Tod, dass sie als Zeugin bei Ermittlungen zu Foltervorwürfen in Tschetschenien aussagen werde. Das Motiv für den Mord könnte aber auch in der regierungskritischen Berichterstattung über andere Themen liegen.

Der tschetschenische Ministerpräsident Ramsan Kadyrow bekräftigte am Mittwoch, dass er nichts mit dem Mordanschlag zu tun habe. "Eine Frau ist heilig", sagte Kadyrow dem russischen Fernsehsender NTV. "Ich denke, dass die Verantwortlichen für den Mord an Anna Politkowskaja mich in ein dunkles Licht setzen wollten." (APA)