Istanbul/Berlin - Der türkische Ministerpräsident Recep Teyyip Erdogan hat zum Abschluss der Türkei-Reise der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel um die Unterstützung Deutschlands im EU-Beitrittsprozess seines Landes gebeten. "Deutschland hat bis heute unsere Beitrittsbemühungen unterstützt. Wir hoffen auf Fortsetzung", sagte Erdogan zu Merkel am Freitag in Istanbul

Die Kanzlerin erinnerte bei einem deutsch-türkischen Wirtschaftsforum daran, dass sie als CDU-Vorsitzende für eine privilegierte Partnerschaft der Türkei in der EU und nicht für eine Vollmitgliedschaft sei. "Wir wollen der Türkei aber nicht zusätzliche Steine in den Weg legen", fügte sie zum Streit um die Zypern-Anerkennung durch Ankara hinzu.

Für Deutschland gelte: "Pacta Sunt Servanda, also das Prinzip verlässlicher Partner zu sein, was Verträge anbelangt." Für diese Aussage bekam Merkel großen Beifall der mehreren hundert türkischen Unternehmer. "Es gibt keinen Zweifel, dass wir eine engere Verflechtung der Türkei mit der Europäischen Union brauchen", sagte Merkel.

Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei waren am 3. Oktober vor einem Jahr aufgenommen worden. Sie sind jetzt ins Stocken geraten unter anderem wegen der türkischen Weigerung, die Häfen des Landes für zypriotische Schiffe zu öffnen. Merkel bezeichnete die Gespräch mit Erdogan darüber als "sehr konstruktiv". Sie hätten "das gegenseitige Vertrauen gestärkt", fügte sie hinzu.

In Berlin kritisierten die Grünen Merkels Politik als "heuchlerisch". Die Forderung der Kanzlerin nach einer privilegierten Partnerschaft sei ein "Bärendienst für die Demokratisierung" der Türkei und unterstütze dort nur die Kräfte, die eine europäische Perspektive nicht wollten, sagte Grünen-Chefin Claudia Roth der dpa.

Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn forderte Merkel auf, ein deutliches Zeichen für einen EU-Beitritt zu geben. Das "Gerede" über eine privilegierte Partnerschaft könne er nur "als äußerst gefährlich und brisant erachten". Die Frage, ob die Türkei als islamisch geprägtes Land den Weg zur europäischen Wertegemeinschaft finde, sei entscheidend für die Sicherheit in Europa und auch in Deutschland.

Vor ihrer Rückreise nach Berlin traf sich Merkel am Nachmittag in Istanbul mit hohen Würdenträgern der Religionsgemeinschaften des Landes. Erdogan nahm an den Gesprächen teil. Die EU verlangt in den Beitrittsverhandlungen mit Ankara, dass die türkische Regierung den nicht-muslimischen Minderheiten im Land mehr Rechte einräumt.

Erdogan und die türkischen Wirtschaftsvertreter warben bei dem Wirtschaftsforum massiv für einen Ausbau der Handelsbeziehungen mit Deutschland und der EU. Das Handelsvolumen mit Deutschland von derzeit jährlich etwa 21 Milliarden Euro könne gut verdreifacht werden, sagte der türkische Unternehmerpräsident Ömer Sabanci.

Auch der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Jürgen Thumann, plädierte für eine europäische Zukunft für die Türkei: "Wir leben die europäische Perspektive für die Türkei in der Wirtschaft bereits." (APA/dpa)