Beck: "The Information" (Universal)

Foto: Universal
Sein Image als sich beständig neu erfindender Exzentriker legt er damit ab. Gut so.


Das Coverartwork erfreut das Kind im Mann. Man kann es nämlich selbst gestalten. The Information, dem neuen Album von Beck, liegt ein Folder bei, auf dem sich gezählte 65 Abziehbildchen befinden, die man auf ein ansonsten lediglich als Millimeterpapier beigestelltes Cover kleben kann, wie man will. Jede Menge Sujets inklusive der Songtitel. Das gab's so ähnlich schon einmal. Als Beck in den mittleren 1990ern das 10-Inch-Album A Western Harvest Field By Moonlight auf Fingerpaint Records veröffentlichte, lag jedem Album ein Teil eines Originalgemäldes von Beck bei - ein Fingerpainting. Heute längst ein gesuchtes Sammlerstück.

Damals durchwandelte der in Los Angeles lebende Musiker noch lustvoll zwei Welten. Die der Major-Companies, für die er mit seinem Hit Loser vom Album Mellow Gold (1994) ein paar Millionen Platten verkauft hatte, und die der kleinen Labels. Beck hatte sich nämlich vertraglich zusichern lassen, als Idol der Slacker-Generation weiterhin nerdige, also als unkommerziell eingeschätzte Platten zu veröffentlichen: Alben wie One Foot In The Grave oder das durchgeknallte Stereo Pathetic Soul Manure. Aus dieser Zeit stammt auch das zeitlos gültige Stück MTV Makes Me Want To Smoke Crack.

Das ist schon eine Weile her und Beck, der nach der endgültigen Etablierung des so genannten Alternative Mainstream als einer der Stars in diesem Bereich gilt, hat sich eben dort gut eingerichtet. Seinem Image als Antistar entsprechend versucht sich der bekennende Scientologe auf jeder Platte "neu zu erfinden". Auch wenn ihm das schon länger nicht gelingt und er längst einen eigenen, leicht erkennbaren eigenen Sound kreiert hat, bleibt Beck bis heute spannend. Mit Guero aus dem Vorjahr ist ihm sogar eines seiner besten Alben gelungen.The Information setzt dort an, Beck selbst sprich sogar von einer Art Fortsetzung. Weiters erzählt von einer Studioatmosphäre, die er bewusst anarchisch gehalten hatte, um den Songs ein Live-Feeling zu verleihen. Das klingt alles sehr verwegen, die Ergebnisse sind allerdings vergleichsweise brav ausgefallen. Sein siebtes Studioalbum beginnt mit einem ironisch Elevator Music genannten Song, der auf einem modifizierten HipHop-Rhythmus errichtet ist, der an Polsterfrisur, Schlapperpullis und zu große Hosen ohne Gürtel erinnert: "One, two, you know what to do. . ."

Das kennt man seit seinem Debüt, funktioniert aber immer noch. Denn die scheinbare Nachlässigkeit - Betonung auf Lässigkeit - besitzt natürlich satt Charme. Unterfüttert wieder diese durch eine - schon vom Coverartwork unterstrichene - Verspieltheit, die hier viele Songs mit albernen Fiepsgeräuschen aus der uns umgebenden Welt begleiten: Faxgeräusche, Klingeltöne. . . Also jede Menge akustischer Abfall, den Beck wie Readymades auf ephemere Podeste stellt, an denen seine Songs vorüberziehen. Einmal funky, einmal frei flotierend und poppig-groovig, dann wieder aus Sicht des klassischen Songwriters. Dazu reicht er wie etwa im Song Dark Star ein paar Blues-Charakteriska und gibt sich selbst als verheirateter Vater in den Mittdreißigern noch verunsichert: "I think I'm in love, but it makes me kinda nervous to say so." Lieb.

Richtige Hits wie Scarecrow oder Black Tambourine, wie man sie am letzten Album fand, sucht man hier zwar vergeblich, die Dichte an lässigen Popsongs, die Beck mit ein paar "experimentelleren" Stücken unterbricht, entschädigt aber vollends. Beck unterläuft damit nicht weiterhin programmatisch, also schon auch ein wenig verkrampft, die Erwartungshaltungen seines Publikums. Er schlägt hier weniger Haken, was der Geschlossenheit des Werks natürlich förderlich ist. Austoben tut er sich dafür bei den Videos, die auf einer DVD der CD beiliegen - für jedes einzelne Lied! Der Vogel, er pfeift immer noch ordentlich. (Karl Fluch / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6.10.2006)