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Wenn es sie nicht schon seit 1862 gäbe, müsste sie in der Tat ganz schnell erfunden werden, die mechanische Uhr mit Zeigern, die sich auf Knopfdruck hin starten, anhalten und wieder in ihre Ausgangsposition bringen lässt. Die Uhrzeit selbst geht bei solchen Manövern nicht verloren, sondern wird weiterhin von den speziell dafür vorgesehenen Zeigern dargestellt. Gemeint sind Zeitmesser mit Chronograph, die sich nun schon seit Jahren an den Handgelenken größter Beliebtheit erfreuen. Warum, weiß niemand so richtig, denn über die Notwendigkeit dieser uhrmacherischen Zusatzfunktion lässt sich streiten. Natürlich besitzt das, was als "Zeitschreiber" in die Geschichtsbücher einging, auch heute noch einen praktischen Nutzen. Beim Zubereiten italienischer Pasta lassen sich die nötigen Minuten bis zum Al-dente-Zustand bestens kontrollieren. Aber - Hand aufs Herz - das erledigt heute jedes Mobiltelefon ganz nebenbei. Und das besitzt zudem auch noch eine Count-down- und Alarmfunktion.

Deshalb stellt sich die Frage nach dem erstaunlichen Reiz und Erfolg mechanischer Chronographen in den zurückliegenden zehn bis fünfzehn Jahren. Jack W. Heuer hat sie einmal als treffliche Objekte zum Spielen und zur Gesprächsanbahnung bezeichnet. Wegen ihrer Drücker im Gehäuserand sowie der Vielzahl an Zeigern und Nebenzifferblättern verfügen Chronographen im Allgemeinen über das, was man als starke Optik bezeichnen kann. Dank des mittlerweile 33 Jahre alten Bestsellers Eta 7750 gibt es selbst aufziehende Chronographenkunst überdies zu allgemein erschwinglichen Preisen.

Stern am Chronographenhimmel

Dennoch hat die Uhrenindustrie in den vergangenen Jahren viel Geld und noch mehr Kreativität in die Entwicklung neuer, exklusiver Uhrwerke mit Stoppfunktion investiert. Das Erstaunliche daran: Die überlieferte Mechanik konnte immer wieder optimiert, modifiziert und durch neue Funktionen ergänzt werden. Das der Zenith dabei noch nicht erreicht wurde, belegt der allerneueste Stern am Chronographenhimmel. Zum Glänzen brachte ihn L.U.C, die Manufacture Chopard anlässlich ihres zehnjährigen Bestehens. Gut 16.000 Arbeitsstunden an Forschungs- und Entwicklungsarbeit liegen hinter dem Anfang April 2005 gestarteten Projekt. 25 Mitarbeiter unterschiedlichster beruflicher Qualifikation setzte Karl-Friedrich Scheufele für das Uhrwerk namens "L.U.C 10 CF" ein. Noch einen Chronographen wollte Chopards Co-Präsident indessen nicht. Daher musste alles rund um den Chronographen auf den Prüfstand. Die Tradition lieferte Anhaltspunkte fürs Pflichtprogramm, aber die Kür bestand im Verlassen eingetretener Pfade. Zum Muss bei hochwertigen Chronographen gehört das so genannte Schaltrad, jenes kleine Bauteil, das die verschiedenen Funktionen steuert. Ein simpler Schaltnocken wäre deutlich kostengünstiger gewesen. Mit der Folge verächtlichen Naserümpfens anspruchsvoller Puristen.

Bei dem, was Uhr- und Chronographenwerk fallweise miteinander verbindet, kennt die Uhrmacherei drei verschiedene Systeme. Das älteste davon besteht in der Aneinanderreihung dreier Zahnräder. Eines, das Kupplungsrad, lässt sich wegschwenken, wodurch die Kette unterbrochen wird. Besagtes Kaliber Eta 7750 verwendet einen Schwingtrieb, dessen Erfindung auf Edouard, den Großvater Jack W. Heuers zurückgeht. Dritte im Bunde ist die Reibungskupplung. Sie arbeitet vertikal und schlupffrei, verschlingt kaum zusätzliche Energie, dafür aber etwas mehr an Höhe. Wegbereiter war Frédéric Piguet beim Automatikkaliber 1185 von 1987. Ab 2000 setzten Rolex, Jaeger-LeCoultre, Patek Philippe und nun auch L.U.C auf die kaum sichtbare, aber effiziente Variante.

Patent: Planetenrad-Getriebe

Nachdem diese Kupplung die Amplitude der "Variner"-Unruh und ihrer frei mit vier Hertz (28.800 A/h) oszillierenden Flachspirale nicht beeinträchtigt, kann der Chronograph immer eingeschaltet bleiben und per Flyback-Drücker bei der "4" gestartet werden.

In diesem Fall schnellen der Chronographen- und die Zählzeiger für Minuten und Stunden erst einmal in die Senkrechte. Zu diesem Zweck hat Adolphe Nicole schon 1844 eine Kombination aus Nullstellherzen und -hebeln erfunden. Den Selbstaufzug besorgt ein Rotor mit wartungsfreiem Keramikkugellager. Ein gleichfalls zum Patent angemeldetes Planetenrad-Getriebe leitet seine Bewegungen weitestgehend verlustfrei an die Zugfeder weiter. Das durchdachte Ruvre ist 28,80 mm groß, 7,60 mm hoch, besitzt 45 funktionale Steine und ein halbspringendes Fensterdatum mit Schnellkorrektur über die Krone.

Apropros Krone: Obwohl aus technischen Gründen nicht unbedingt nötig, offeriert L.U.C beim 10 CF einen kleinen, permanent mitlaufenden Sekundenzeiger, der beim Stellen der Uhrzeit tunlichst auf "60" zeigen soll. Üblicherweise heißt es warten, bis er gemächlich nach oben getrottet ist. Bei Chopard genügt eine Betätigung des Nullstelldrückers bei gezogener Krone (Zeitstellposition), um die kleine Sekunde blitzschnell gegen Norden zu bewegen. Währenddessen hält die Unruh an. Mit Ertönen des Zeitsignals kann die Uhr sekundengenau in Bewegung gesetzt werden. So etwas hat es bei Chronographen ebenfalls noch nie gegeben. Wer eines der Nullserien-Exemplare ergattern will, sollte sich nicht nur beeilen, sondern insbesondere rechtzeitig aufbrechen. Die Edition ist auf 100 Weißgold-Exemplare à 34.000 Euro limitiert. (Gisbert L. Brunner/Der Standard/Rondo/06/10/2006) >>>Hommage an Saint-Exupéry