Nach der glimpflich verlaufenen Entführung eines türkischen Verkehrsflugzeugs nach Italien wächst im Vatikan die Besorgnis über den bevorstehenden Besuch des Papstes in der Türkei. Ein 30-jähriger türkischer Deserteur hatte am Dienstag den Piloten einer Boenig 737 der Turkish Air- lines über Griechenland zu einem Kurswechsel ins süditalienische Brindisi gezwungen, wo die Maschine um 17.40 Uhr sicher landete.

Der Mann, der entgegen seinen Aussagen unbewaffnet war, bezeichnete sich als Katholik und erklärte, er wolle dem Papst eine Botschaft überreichen. Er ergab sich widerstandslos der italienischen Polizei. Indessen hat der Vatikan Spekulationen über eine mögliche Absage des Ende November beginnenden Besuchs dementiert.

Kardinal Pio Laghi, der als bester Islam-Kenner des Vatikans gilt, erklärte, am Besuch sei "auch die türkische Regierung stark interessiert". Er glaube nicht, dass der Widerstand islamischer Kreise die Reise des Papstes noch vereiteln könne. Vatikan-SprecherFederico Lombardi versicherte, die Vorbereitungen für den dreitägigen Besuch des Papstes seien "voll im Gang".

Der türkische Botschafter in Rom Ugur Ziyal versicherte, die Reise des Papstes sei mit "keinen besonderen Risiken verbunden". Die türkischen Sicherheitskräfte seien "bestens vorbereitet". Besorgt zeigte sich dagegen der Apostolische Vikar in Anatolien, Luigi Padovanese: "Es gibt eine Vielzahl terroristischer Drohungen gegen den Papst, und alle, die mit ihm zusammentreffen. Sie stehen täglich groß in allen türkischen Zeitungen", sorgt sich Padovanese. "Der Heilige Vater muss selbst über eine Verschiebung oder Absage des Besuchs entscheiden."

Nach einem Bericht der Tageszeitung La Repubblica vom Mittwoch schätzt der türkische Geheimdienst die Gefahr eines Anschlags auf den Papst als "durchaus konkret" ein.

Im Nachhall der "Regensburger Rede" war Benedikt XVI. auch von türkischen Politikern scharf attackiert worden. Premier Recep Tayyip Erdogan forderte damals vehement eine Entschuldigung des Papstes für ein Zitat, das von vielen Muslimen als islamfeindlich aufgefasst wurde. Türkische Juristen wollten den Papst damals sogar vor Gericht bringen und forderten eine Absage des Besuches. (Gerhard Mumelter aus Rom, DER STANDARD, Print, 5.10.2006)