Nachdem Tschechiens bürgerliche Minderheitsregierung bei der Vertrauensabstimmung am Dienstag gescheitert ist, heißt es bei den tschechischen Regierungsverhandlungen zurück an den Start. Wie schon unmittelbar nach den Wahlen vom Juni dieses Jahres, liegt nun die Entscheidung über die weitere Vorgangsweise wieder bei Präsident Vacláv Klaus. Der gescheiterte rechtsliberale Premier Mirek Topolánek wird voraussichtlich nächste Woche nach etwas mehr als einem Monat im Amt formell zurücktreten. Klaus muss dann einen neuen Anwärter auf das höchste Regierungsamt bestimmen. Das institutionelle Prozedere beginnt aufs Neue, samt einer neuen Vertrauensabstimmung, die im Idealfall irgendwann in der zweiten Novemberhälfte stattfinden könnte. Insgesamt sieht die tschechische Verfassung drei Versuche vor eine Regierung zu bilden. Erst dann, wenn alle ohne Ergebnis bleiben sollten, kann es zu vorgezogenen Neuwahlen kommen.

Es ist aber anzunehmen, dass der Präsident nichts übereilen wird und erst die Senats- und Kommunalwahlen von Ende Oktober abwartet, bevor er eine endgültige Entscheidung über einen neuen Premier trifft. Diese Vorgangsweise stößt jedoch auf Kritik bei den oppositionellen Sozialdemokraten, die darin eine indirekte Wahlunterstützung für Topoláneks Demokratische Bürgerpartei (ODS) sehen, denn schließlich war Klaus deren langjähriger Vorsitzender. Die Sozialdemokraten (CSSD) befürchten, dass die kommenden Wahlen von den Rechtsliberalen zu einer Art inoffiziellem Referendum über die künftige politische Richtung im Land hochstilisiert werden könnten.

Aus diesem Grund drängt nun vor allem der CSSD-Chef und vormaliger Premier Jiøi Paroubek den Präsidenten zu einer raschen Entscheidung. So deutet er seit Tagen in Interviews an, er habe eine Lösung für das parlamentarische Patt zwischen linken und rechten Parteien gefunden und könne sich der notwendigen Mehrheit von mindestens 101 Abgeordneten sicher sein. Da Paroubeks Sozialdemokraten zusammen mit den Kommunisten jedoch nur über 100 Mandate verfügen, geht der frühere Regierungschef also von der Unterstützung eines potenziellen Überläufers aus dem bürgerlichen Lager aus. (Robert Schuster aus Prag, DER STANDARD, Print, 5.10.2006)