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Die Folgen mangelhafter Übersetzungen sind vielfältig: Angeklagte, die dem Prozess nicht folgen können, aber auch Strafgefangene, die kaum Chance auf bedingte Entlassung haben, weil ihnen das Prozedere nicht vermittelt werden kann

Foto: AP/ MICHAEL PROBST
Fehlende Dolmetscher werden zu einem immer größeren Justizproblem, warnen Experten.

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Wien – "Dolmetschen allen slawischens Sprachens" stand auf der Visitenkarte, die sie auf einem Polizeischreibtisch entdeckte, berichtet Christine Springer. Als die Präsidentin des Verbandes der Gerichtsdolmetscher den Exekutivbeamten darauf hinwies, dass derjenige, der die Karte abgegeben hatte, als Übersetzer bei Verhören wohl nur mäßig geeignet sei, sah der Polizist darin kein Problem.

Mit dieser Geschichte will Springer am Mittwoch bei einer Pressekonferenz anlässlich einer Enquete der Richtervereinigung zum Thema Gerichtsdolmetscher untermauern, wie schlecht es aus ihrer Sicht um die Qualität der Dolmetscher während der Polizeiermittlungen bestellt ist. Weniger als ein Viertel aller Übersetzer sei gerichtlich beeidet und zertifiziert, schätzen Mia Wittmann-Tiwald und Oliver Scheiber von der "Fachgruppe Grundrechte" der Richtervereinigung.

Dubiose Anklageerhebungen

Die Folgen mangelnder Qualifikation: dubiose Anklageerhebungen (Stichwort "Operation Spring") und Angeklagte, die dem Prozess nicht folgen können, aber auch Strafgefangene, die kaum Chance auf bedingte Entlassung haben, weil ihnen das Prozedere nicht vermittelt werden kann und Mithäftlinge oder Personal radebrechend einspringen müssen.

Nur ein Georgisch-Dolmetscher

Allerdings: Wirklich neu ist das Problem nicht, wie Scheiber eingestehen muss. Besondere Probleme bereiten afrikanische Sprachen und Dialekte sowie Sprachen aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. So ist von den über 1400 Gerichtsdolmetschern in ganz Österreich nur eine für Georgisch zuständig.

Laienkräfte

"Das führt natürlich dazu, dass vielfach Laienkräfte eingesetzt werden", konstatiert Mira Kadric vom Zentrum für Translationswissenschaften an der Uni Wien, selbst ebenfalls Gerichtsdolmetscherin. Diese Personen würden aber öfter dazu tendieren, im Sinne einer Partei zu handeln, glaubt Kadric: "Sie halten sich manchmal für Hilfssheriffs oder versuchen zugunsten von Befragten zu übersetzen", kritisiert die Expertin.

Maulwurfgefahr

Dazu kann auch das Problem von externem Druck kommen. Erst jüngst berichtete das Bundeskriminalamt von der Verhaftung eines mutmaßlichen georgischen Bandenbosses, der unter anderem versucht haben soll, über Übersetzer an polizeiinterne Informationen zu gelangen. Schnelle Abhilfe für die Probleme zu schaffen ist schwierig:_Kurzfristig soll die Sensibilität der Richter für die Problematik erhöht und eine europaweite Liste von Dolmetschern erstellt werden. Mittelfristig könnten auch "verfestigte Asylwerber"_ausgebildet und engagiert werden, schwebt den Richtern vor.

Im Innenministerium weist man Probleme mit Übersetzungen im Polizeibereich dagegen zurück: Bisher habe es noch keine Klage eines Gerichts über mangelnde Qualität gegeben, beteuert ein Sprecher. (Michael Möseneder, DER STANDARD Printausgabe 5.10.2006)